taz.de -- Sozialproteste in Israel: Protestbewegung mobilisiert wieder

Die Aktivisten sind enttäuscht über den Regierungsbeschluss zur sozialen Lage. Demnach sollen die Militärausgaben gekürzt und hunderttausende neue Wohnungen gebaut werden.
Bild: Protestcamp in Tel Aviv Anfang September.

JERUSALEM/BERLIN dpa/taz | Die soziale Protestbewegung in Israel hat zu einer großen Demonstration für den 29. Oktober aufgerufen. Damit will sie klarstellen, dass ihr die Empfehlungen eines Wirtschaftsgremiums für mehr soziale Gerechtigkeit nicht weit genug gehen.

Die Regierung hatte am Sonntag mit großer Mehrheit die umstrittenen Vorschläge gebilligt. Demnach sollen unter anderem die Ausgaben für das Militär gekürzt und Hunderttausende neue Wohnungen gebaut werden, um die hohen Mietpreise zu senken.

Das Expertenteam unter Leitung von Manuel Trajtenberg hatte außerdem Steuererhöhungen für Reiche, strengere Kartellvorschriften sowie Reformen im Bildungsbereich empfohlen. Kinder sollen etwa ab drei Jahren gratis einen Platz im staatlichen Kindergarten bekommen. Für Kinder im Alter bis zu neun Jahren soll es eine Ganztagsschule geben. Binnen fünf Jahren sollen insgesamt 60 Milliarden Schekel (etwa 12 Milliarden Euro) in den sozialen Bereich fließen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte den Ausschuss ins Leben gerufen, nachdem Mitte Juli in Israel die größten sozialen Proteste der Geschichte begonnen hatten. "Ich habe mein Versprechen gehalten, der Bericht ist gut für die Bürger", sagte Netanjahu nach Angaben der Zeitung Haaretz während der Kabinettssitzung am Sonntag. Vergangene Woche war der Regierungschef im ersten Anlauf bei dem Versuch gescheitert, eine Mehrheit im Kabinett für die Empfehlungen zu sichern.

Gegenüber Haaretz kritisierten Vertreter der Protestbewegung unter anderem, dass der Haushalt nicht erhöht worden sei und lediglich Gelder aus dem Militäretat umgewidmet worden seien. Der Vorsitzende der Nationalen Studentenunion, Itzik Shumli, merkte an, dass der Bericht zwar einige wichtige Vorschläge enthalte.

Diese gingen jedoch nicht weit genug, vor allem im Hinblick auf neue Wohnungen, vor allem Sozialbauten, die Reduzierung der Lebenshaltungskosten sowie die Bekämpfung der weit verbreiteten Zeitarbeit. Neben der Mobilisierung für die Demonstration Ende Oktober organisieren die Aktivisten derzeit auch Aktionen im Rahmen eines internationalen Protesttags, der am kommenden Samstag in 40 Ländern gleichzeitig stattfinden soll.

10 Oct 2011

TAGS

Israel

ARTIKEL ZUM THEMA

Was sagt uns das?: Für ein Milky nach Berlin

Israelische Auswanderer rechnen vor, wie viel billiger das Leben in Berlin ist. Dafür werden sie als „Antizionisten“ beschimpft.

Kommentar Israels Siedlungsbau: Bibi gut, Israel schlecht

Die Kritik an seiner Siedlungspolitik scheint Netanjahu nicht zu stören. Doch das Vorgehen Israels führt in die Isolation und wird zunehmend zu einer Gefahr für das Land.

Israels Siedlungspläne: Siedlung Gilo soll größer werden

Regierungschef Netanjahu gibt neue Pläne zum Ausbau der Siedlung Gilo bekannt. Aus Washington kommt harsche Kritik. Der Siedlungsbau torpediert Verhandlungen.

Sozialproteste in Israel: 450.000 gehen auf die Straße

Bei der größten Demonstration in der Geschichte des Landes fordern die Teilnehmer mehr soziale Gerechtigkeit. 90 Prozent der Bevölkerung stehen hinter ihnen.

Kommentar Sozialproteste in Israel: Die Regierung will verhandeln

Die Bevölkerung will nicht länger schweigend zusehen, wie sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Sie hat erkannt, wie Politik und Markt unter Druck zu setzen sind.

Sozialproteste in Israel: "Wir sind die neuen Israelis"

Trotz gegenteiliger Prophezeiungen haben die Sozialproteste nichts von ihrer Stärke eingebüßt. 450.000 Menschen gingen am Samstag in mehreren Städten auf die Straße - so viele wie noch nie.