taz.de -- Anschläge gegen die Bahn: Brandsätze direkt am Gleis

Autonome bekennen sich zu den Anschlägen auf Hauptbahnhof und ICE-Strecke nach Hamburg. Brandflaschen am Bahnhof zünden nicht, Zugverkehr dennoch lahmgelegt.
Bild: Kriminaltechniker untersuchen einen Kabelschacht am Hauptbahnhof.

Der Koreaner ist irritiert. Seit zwei Stunden warte er schon. "Keiner gibt mir Auskunft. Was soll ich denn machen?" Der Mann steht am Montagmittag auf einem oberen Bahnsteig des Hauptbahnhofs. Eigentlich hätte er schon seit eineinhalb Stunden im Zug nach Hamburg sitzen sollen, sagt er. Aber in Berlin sei Schluss gewesen.

Aus den Lautsprechern tönt, warum: Wegen "Sabotage" und "Vandalismus" werde der Bahn- und Fernverkehr umgeleitet. "Megaviel Chaos" sei gegen 9 Uhr ausgebrochen, erzählen zwei Mitarbeiter der Bahnhofsmission, die Fahrgäste beraten. Und: "Je weiter man in den Norden will, desto schlimmer wird es."

Die Ursache liegt wenige Meter vorm Nordtunnel des Hauptbahnhofs, neben einem Trafohäuschen: sieben Flaschen, gefüllt mit brennbarer Flüssigkeit. Ein Bahnmitarbeiter stößt am Mittag darauf, die Polizei sperrt das Gleis und birgt die ungezündeten Brandsätze. Welchen Schaden sie hätten anrichten können, sei noch nicht bemessbar, so ein Polizeisprecher am Montagnachmittag. Der Bahnhof wird nicht gesperrt, aber einige Züge werden umgeleitet.

Doch bereits Stunden zuvor - kurz vor 4 Uhr - hatte ein Kabelschacht im brandenburgischen Finkenkrug (Havelland), auf der ICE-Trasse Berlin-Hamburg gebrannt. Ein weiterer Brandsatz zündete nicht. Der Zugverkehr zwischen Spandau und Nauen wird komplett gesperrt. Ersatzbusse werden eingerichtet, Züge umgeleitet, Tausende müssen warten. "Die Art und Weise des Vorgehens lässt einen Zusammenhang zwischen beiden Taten vermuten", so die Polizei. Sie vermutet Linksautonome als Täter.

Ein Bekennerschreiben, das im Internet auftaucht, bestätigt dies (siehe rechts). Man habe die Hauptstadt "in den Pausenmodus" gezwungen, heißt es darin - wegen deutscher Rüstungsexporte und der Kriegsbeteiligung in Afghanistan. Offenbar war Größeres geplant: Auch von Anschlägen auf "Telekommunikation" ist die Rede. Als im Mai ein Brandanschlag am Ostkreuz den Bahnverkehr lahmlegte, waren überdies Handy-Netze und die Bahn-Homepage betroffen. Damals bekannten sich Autonome zu der Tat. Ebenso wie im November 2010 nach einem Kabelbrand an der S-Bahn-Strecke nahe der Sonnenallee. Im Februar wurden bei Oranienburg zwei Brandsätze entschärft.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte die Taten: Der Linksextremismus "demaskiert sich immer mehr". CDU-Chef Frank Henkel sprach von einem "Aufrüsten der linksextremen Szene". Henkels Ansage, innere Sicherheit zum "wichtigen Bestandteil" der rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen zu machen, wird nicht leiser werden.

Laut einem Bahn-Sprecher wurden nach den Anschlägen im Frühjahr alle "kritischen Infrastrukturschwerpunkte" gesichert. Nur: "Bei einem Streckennetz von 34.000 Kilometern Länge ist eine flächendeckende Überwachung unmöglich."

10 Oct 2011

AUTOREN

Hagmann
Litschko

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