taz.de -- "Occupy Wall Street" in 80 Ländern: Samstag Weltrevolution
In 80 Ländern haben Kapitalismuskritiker für diesen Samstag Proteste angekündigt. Dabei unterscheidet sich die Situation in den einzelnen Ländern gewaltig.
BERLIN taz | Aus einer Aktion von US-Aktivisten entsteht nun offenbar eine weltweite Bewegung. In 80 Ländern haben Linke für Samstag Proteste angekündigt. Bei dem globalen Aktionstag geht es um die Stärkung der Demokratie und eine Zügelung der Finanzmärkte. Doch trotz des gemeinsamen Auftretens, unterscheidet sich die Lage in den jeweiligen Ländern erheblich.
Für besonderes Aufsehen sorgten zuletzt die Proteste der Occupy-Wallstreet-Bewegung ("Besetzt die Wallstreet!") in den USA. Besonders nachdem die Polizei in New York vor zwei Wochen rund 700 Demonstranten festgenommen hatte, ist dort der Zulauf enorm. Dort richtet sich der Protest explizit gegen Banken und Spekulanten. In etlichen Städten haben zuletzt zehntausende Menschen demonstriert.
Von dieser Protestwelle erhofft auch die Initiative [1]["Occupy Frankfurt"] einen Mobilisierungsschub für ihre Demonstration vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Über zahlreiche Verteiler wurde zu Demonstrationen in deutschen Großstädten und vielen kleineren Städten aufgerufen. Hier richtet sich der Appell an die Politik: für eine stärkere Finanzmarktregulierung.
Ob der gewünschte Effekt auch eintritt, lässt sich schwer voraussagen. In den vergangenen Jahren gab es wiederholt ähnliche Aktionstage. Meist hatte sich das globalisierungskritische Netzwerk Attac in der Verantwortung gefühlt, auch in Deutschland Solidaritätsaktionen zu organisieren - und meist blieb davon, anders als in anderen Ländern, anschließend nicht viel übrig.
Deshalb sind die Organisatoren des Occupy-Frankfurt-Protests mit Prognosen zurückhaltend. Sie gehen davon aus, dass in Frankfurt "eine niedrige vierstellige Zahl" von Demonstranten zusammenkommt. Anders als in den vergangenen Tagen in zahlreichen Medien suggeriert wurde, hielt sich die Debatte in den sozialen Netzwerken zu den deutschen Protesten bislang in Grenzen.
Dabei bemühen sich insbesondere kleine Aktivistengruppen der spanischen Demokratiebewegung "Democracia Real Ya!" ("Echte Demokratie jetzt!") auch in Deutschland seit Monaten darum, mehr Menschen für den Demokratieabbau in Europa zu sensibilisieren. Die spanische Bewegung war es auch, die den Anstoß zu dem heutigen globalen Aktionstag gegeben hat.
Neben Ländern wie Spanien, Griechenland und Portugal, wo es in den letzten Monaten immer wieder zu Großprotesten kam, gibt es auch in Ländern wie Albanien, Ägypten, Island, Mexiko, Taiwan, Tunesien, Sri Lanka oder Panama Aufrufe zu Aktionen. Ob das mit der Weltrevolution klappt, ist ungewiss. Kaum eine der Dynamiken, mit denen in den letzten Monaten in vielen Ländern Protestbewegungen entstanden, war so vorherzusehen - oder herbeizuschreiben.
Mehr Informationen unter: [2][bewegung.taz.de]
14 Oct 2011
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Organisator des Frankfurter Protestcamps "Occupy Frankfurt", Wolfram Siener, ist zum Medienphänomen geworden. War er nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort?
Die Proteste gegen das Finanzkapital haben sich weltweit ausgeweitet: In mehr als 80 Ländern gehen mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße. Einige von ihnen besetzen Plätze. Auch in Berlin und Frankfurt.
Weil ein Interview mit einem Aktivisten dem US-Sender Fox News nicht passte, hat er es kurzerhand nicht veröffentlicht. Peinlich ist: Das Video ist trotzdem aufgetaucht.
Die Zeit des paralysierten Ausharrens ist vorbei. Gerade viele junge Menschen nehmen es nicht länger hin, dass mit ihrer Zukunft gespielt wird.
Matt Crosby, Platzbesetzer in Washington, über Ziele, Vorbilder und Struktur der Occupy-Bewegung. Und über das Gefühl, dass plötzlich möglich ist, was vor Kurzem noch undenkbar schien.
Die Stadt New York hatte den von den Wall-Street-Demonstranten besetzten Park reinigen – und Zelte und Schlafsäcke verbieten wollen. Doch nun wurde die Reinigung gegen "OWS" abgeblasen.
So eine Gegenkultur, wie sie derzeit im Bankenviertel von Manhattan entsteht, gab es zuletzt in den Sechzigern. Noch immer ist sie Nährboden für politischen Protest.