taz.de -- Wikileaks macht Pause: Leere Kassen, keine Lecks

Julian Assange erschien blass und unsicher vor der Presse und verkündete: Wikileaks will vorerst nichts mehr veröffentlichen, sondern sich um Spenden kümmern.
Bild: Vom alten Selbstbewusstsein ist nicht mehr viel da: Wikileaks-Gründer Julian Assange.

BERLIN taz | Ohne Geld keine Veröffentlichungen mehr: Wikileaks-Gründer Julian Assange kündigte am Montag in London an, seine Whistleblowing-Webseite werde bis auf weiteres kein neues Material mehr veröffentlichen. Um das "künftige Überleben" der Organisation sicherzustellen, werde Wikileaks stattdessen seine Kräfte darauf konzentrieren, sich gegen die "finanzielle Blockade" der Wikileaks-Spendenkonten zu wenden, so Assange.

Hohe Spendenbeträge für die Organisation liegen seit Dezember 2010 auf Eis, seitdem Finanzunternehmen wie Visa, Paypal und Mastercard die Konten von Wikileaks in Reaktion auf die Veröffentlichungen der US-Diplomatendepeschen eingefroren hatten. Laut Assange soll es sich um 95 Prozent der Einkünfte von Wikileaks handeln. Man wolle nun in mehreren Ländern gerichtlich gegen diese Blockade vorgehen.

Assange erschien blass vor Pressevertretern, klammerte sich an sein Rednerpult, von seinem einstigen Selbstvertrauen kaum noch eine Spur.

Negativschlagzeilen statt Coups

Die Ankündigung des Veröffentlichungsstopps kommt insofern überraschend, da seine Plattform schon seit Monaten keine neuen geheimen Dokumente mehr veröffentlicht hatte - der letzte größere Coup war die Veröffentlichung von Dokumenten über das US-Gefangenenlager Guantánamo im April 2011. Stattdessen machte die Plattform Negativschlagzeilen - etwa damit, dass eine Datei in Umlauf gekommen war, die eine unredigierte Fassung der US-Diplomatendepeschen enthielt.

Es ist das zweite Mal innerhalb von zwei Jahren, dass Wikileaks aus Geldgründen die Arbeit einstellt - bereits Anfang 2010 hatten Assange und seine Mitstreiter das Leaken eingestellt, um Spenden zu sammeln, mit deren Hilfe die Plattform am Leben erhalten werden sollte.

Assange versuchte bei dem Pressetermin aber auch den Eindruck zu zerstreuen, dass es nun vorbei sein könnte mit dem Whistleblowing auf seiner Plattform Wikileaks: Er kündigte an, am 28. November, dem ersten Jahrestag der Veröffentlichung der Diplomatendepeschen, ein neues und sicheres Einreichungssystem für geheime Daten bei Wikileaks vorzustellen.

24 Oct 2011

AUTOREN

Meike Laaff

TAGS

Schwerpunkt Wahlen in Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Gastauftritt bei den Simpsons: Assange wird Homers Nachbar

Ein gemeinsamer DVD-Abend mit Julian Assange? Warum nicht. Die Simpsons bekommen in ihrer 500. Episode einen neuen Nachbarn. Ein cleverer Comeback-Versuch – mit Risiken.

Julian Assange im russischen Fernsehen: Mit Putins Geld für Meinungsfreiheit

Ab März wird der Gründer von Wikileaks eine Sendung bei "Russia Today" bespielen. Es soll ein Aufklärungsprogramm über die westliche Welt werden.

Australischer Journalistenpreis für Wikileaks: Kampf um Transparenz geht weiter

Die Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks hat den australischen Walkley-Preis für Journalismus erhalten. Mitbegründer Julian Assange bedankte sich per Video.

Assange wehrt sich gegen Auslieferung: Ein Mann fürs Grundsätzliche

Wikileaks-Kopf Julian Assange will seine Auslieferung nach Schweden verhindern. Dafür müsste sein Fall jedoch als Präzedenzfall anerkannt werden.

Urteil in den USA: Twitter muss Daten offenlegen

Hat die US-Justiz das Recht, bei Ermittlungen die Daten von Twitter-Nutzern in aller Welt einzuholen? Ein zweiter Richter hat dies im Fall Wikileaks jetzt bestätigt.

Urteil zu Julian Assange: Es war einmal ein Hacker

Ein britisches Gericht hat entschieden: Julian Assange darf nach Schweden ausgeliefert werden. Seine Geschichte geht zu Ende. Das Prinzip Wikileaks überlebt.

Gerichtsentscheidung zu Wikileaks-Gründer: Assange darf ausgeliefert werden

Der Londoner High Court hat entschieden: Wikileaks-Gründer Julian Assange darf nach Schweden ausgeliefert werden. Er kann aber noch einmal Berufung einlegen.

Kolumne Wikileaks: Das Dönerladen-Schicksal

Wikileaks setzt offenbar auf die gleichen Hinhalteparolen wie Berliner Dönerläden. "Wir sind bald wieder für Sie da!" – und kümmern uns derweil erstmal um die Geldakquise.

Mitarbeter von Wikileaks: Von US-Behörden bespitzelt

Über Google und Sonic haben Behörden E-Mail-Konten eines Wikileaks-Mitarbeiters ausgespäht. Dabei zweifeln Gerichte längst an dem Gesetz, das Netzanbieter zur Adressenherausgabe zwingt.

Julian Assange kritisiert Verlag: "Ich bin kein Vergewaltiger"

Gegen den Willen von Julian Assange hat ein Verlag eine Autobiografie des Wikileaks-Gründers herausgebracht. Assange warf dem Verlag "Opportunismus und doppeltes Spiel" vor.

Vetternwirtschaft in Nigeria: Wikileaks-Skandal um Finanzministerin

Ngozi Okonjo-Iweala soll die Korruption in ihrem Land bekämpfen. Nach Enthüllungen von Wikileaks steht Nigerias Finanzministerin jetzt allerdings selbst unter Verdacht.

Wikileaks: Künast setzt auf CDU: Die geleakte Kandidatin

Laut US-Dokumenten, die auf der Onlineplattform Wikileaks veröffentlicht wurden, hat Renate Künast 2009 Koalition mit der CDU im Bund als Ziel genannt. Grüne: verkürzt widergegeben.

Wikileaks veröffentlicht die US-Depeschen: Ende des Datenschutzes

Zunächst waren die vormals geheimen US-Depeschen ungewollt ohne Namenschwärzungen in die Öffentlichkeit geraten. Nun hat die Enthüllungsplattform diese Papiere selbst online gestellt.

Kommentar Wikileaks: Neue Technik, neue Risiken

Ein Leak ist bei den Leakern selbst an die Öffentlichkeit gelangt. Das zeigt, dass auch hinter guter Technik alltägliche Risiken lauern. Lassen sollten wir das Leaken trotzdem nicht.