taz.de -- 30.000 politische Gefangene in Syrien: Stadien in Knäste verwandelt
Sämtliche großen Fußballarenen in Syrien werden als Gefängnisse genutzt, sagen Menschenrechtler. Und in Krankenhäusern werden verletzte Demonstranten gefoltert.
NEW YORK/BERLIN afp/dap | Die syrische Regierung hält nach Einschätzung eines prominenten Menschenrechtlers mehr als 30.000 politische Gefangene fest. Präsident Baschar el Assad habe sämtliche großen Fußballstadien des Landes in Gefängnisse umgewandelt, sagte Radwan Ziadeh vom Damaskus-Zentrum für Menschenrechtler am Montag (Ortszeit) in New York.
Das El Faihaa-Stadion in Damaskus, das Assad-Stadion in Latakia und das Hauptstadion in Daraa dienten zur Unterbringung tausender Häftlinge.
Verletzte Oppositionelle werden Amnesty International zufolge in syrischen Krankenhäusern medizinisch nicht versorgt. "Es ist erschreckend, dass die syrischen Sicherheitskräfte Zugang zu den Krankenhäusern haben, um Ärzte unter Druck zu setzen oder Patienten zu misshandeln", sagte die Syrien-Expertin der Menschenrechtsorganisation, Kristina Schmidt, in Berlin.
So sollen Ärzte und Sicherheitskräfte Verletzte foltern und ihnen die Behandlung verweigern. Die Organisation forderte die syrische Regierung auf sicherzustellen, dass jeder Patient schnell und umfassend behandelt wird.
Nach dem Scheitern einer Syrien-kritischen Resolution im UN-Sicherheitsrat Anfang Oktober seien die Gegner der Assad-Herrschaft verzweifelt und eher bereit, Waffen gegen die Sicherheitskräfte einzusetzen, schilderte Ziadeh. Die Resolution war am Veto Chinas und Russlands gescheitert.
Westliche Regierungen kritisierten das Veto am Montag erneut. Es sei "tragisch, dass Assads barbarische Taten kürzlich von diesem Rat mit Schweigen quittiert wurden", sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice.
Der französische Botschafter Gérard Araud forderte China und Russland auf zu erklären, "welche konkreten Taten sie vorschlagen, um dieses Blutbad zu beenden".
US-Botschafter verlässt Land
Nach Angaben des US-Außenministeriums verließ am Montag aus Sicherheitsgründen der US-Botschafter in Syrien, Robert Ford, das Land. Wenig später meldete das syrische Fernsehen, der syrische Botschafter in Washington kehre zu Konsultationen heim.
Ford sei aus Sorge um seine Sicherheit für "unbestimmte Zeit beurlaubt", sagte ein Vertreter der US-Botschaft in Damaskus der Nachrichtenagentur AFP. Das US-Außenministerium erklärte, es habe "glaubhafte Bedrohungen" der persönlichen Sicherheit Fords in Syrien gegeben.
Derzeit sei unklar, wann der Diplomat wieder nach Damaskus zurückgehen könne, sagte ein Außenamtssprecher in Washington. Die US-Regierung hoffe, dass Damaskus seine "Kampagne zur Aufstachelung" seiner Anhänger gegen Ford einstellen werde
Seit Mitte März gehen in Syrien fast täglich Menschen gegen die Führung Assads auf die Straße. Die Staatsmacht geht mit aller Härte gegen die Demonstranten vor. Nach UN-Angaben kamen seit Beginn der Proteste mehr als 3.000 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Zivilisten.
25 Oct 2011
ARTIKEL ZUM THEMA
Ist es zu viel verlangt, wenn die westlichen Regierungschefs jetzt endlich Partei ergreifen? Ihr Wort könnte die Wirtschaftselite an die Seite der Opposition bringen und die Wende einleiten.
Das Morden des Regimes nimmt kein Ende. Am Wochenende sterben mehr als 50 Menschen - alle Appelle verhallen ungehört. Nun macht sich Ratlosigkeit breit.
Das syrische Regime will sich dem Reformdruck der Arabischen Liga nicht beugen. So wurden am Wochenende weitere Zivilisten erschossen. Assad warnte zudem vor einem Eingreifen des Westens.
Wieder sind bei Demonstrationen in Syrien 20 Menschen getötet worden. Die Aktivisten werfen der Arabischen Liga vor, ihre Vermittlungsversuche seien kontraproduktiv.
Er ist 22 Jahre alt, Student und lebt in der syrischen Hauptstadt Damaskus - und wie viele Oppositionelle hat er zwei Profile auf Facebook - eines für Harmloses und eines für die Revolte.
Die Armee beschießt Stellungen von Regimegegnern in Homs mit Granaten, drei Menschen sollen getötet worden sein. Der Übergangsrat in Libyen erkennt den syrischen Nationalrat an.
In Homs sind bei einem Einsatz der Armee über 30 Menschen getötet worden. Zahlreiche Häuser der Stadt sollen zerstört worden sein.
Weil sie Angst vor einem Bürgerkrieg haben, fürchten Dissidenten den Widerstand mit Waffen. Und begründen das internationale Desinteresse mit dem wenigen Erdöl.
Das schleichende Massaker an der Bevölkerung in Syrien ist ein Alarmruf an die internationale Gemeinschaft. Sie muss aktiv werden und militärische Gewalt ernsthaft androhen.