taz.de -- Hamburgs Elbphilharmonie stagniert: Chaos aus Beton und Glas
Statt die Elbphilharmonie endlich fertig zu bauen, streiten Stadt und Baukonzern weiter um Geld und geben sich gegenseitig die Schuld an den Verzögerungen.
Sie sieht aus wie ein hohler Zahn, und die Touristen machen sich schon lustig: Seltsam erstarrt wirkt zurzeit die Elbphilharmonie-Baustelle - kein Zufall vielleicht, dass auch die Internet-Webcam nicht mehr läuft. Offiziell heißt es, sie sei defekt und werde bald erneuert.
Zu wenig Baufortschritt: Das attestiert auch der jüngste Sachstandsbericht des Senats, der am heutigen Freitag im Kulturausschuss diskutiert wird, dem Bauunternehmen Hochtief. Um 14 Monate liegt der Konzern, der das Haus am 30. 11. 2011 übergeben sollte, zurück. Das liege an zu spät gelieferten Plänen, sagt Sprecher Bernd Pütter, und für diese Verzögerung wolle man Geld.
Die Stadt will nur für drei Monate Verzug zahlen. 20 Millionen wird das kosten. Und zwar bis Ende 2011, weswegen der Senat die Bürgerschaft bittet, eine Patronatserklärung hierüber abgeben zu dürfen, damit die Elbphilharmonie Bau KG nicht ins Minus gerät.
Aber das ist nicht alles: Insgesamt wird Hochtief, vermutet der Senat, für den Verzug bis zu 100 Millionen mehr fordern, da der Bau wohl erst 2014 fertig werde. Zwar will die Stadt diese Summe nicht anerkennen - unter anderem wegen 5.700 Mängel, aber das Damoklesschwert bleibt: Auf über 400 Millionen Euro könnte der städtische Anteil des Baus steigen, der aktuell mit 323 Millionen Euro gehandelt wird.
Und alles, weil die Stadt das Projekt so früh ausschrieb, dass Pläne vage und Preise noch vager waren. Seither hadern Hochtief und Stadt darüber, ob nachträgliche Änderungen bloß "Konkretisierungen" oder teure Neuerungen sind.
Derzeit dreht sich der Streit um den Brandschutz, genauer: Veränderungen bei Haustechnik und Stromleitungen. Die will Hochtief nicht weiterverlegen, solange die Stadt keine neuen Entwürfe vorlegt.
Ähnliches geschieht in puncto Saaldach: Hochtief hat gesagt, das sei nicht baubar. Kompliziert ist es in der Tat, zumal es Teile des Konzertsaals halten soll. Aber von der Stadt bestellte Prüfstatiker sagen, es gehe. Inzwischen hat Hochtief in einigen Punkten nachgegeben. Dafür verweigert es seit Ende September "weitere finanzielle Vorleistungen" für Bauverzüge.
Und als wäre dies nicht genug, erwähnt der Senat in seinem Papier, dass auch das Betriebskonzept noch nicht stehe. Das aber könnte weitere - teure - bauliche Änderungen erfordern. Zudem würden laut Senat, "die bisherigen planerischen Kostenansätze für die betriebliche Unterhaltung des Gesamtgebäudes nicht auskömmlich sein". Um welche Summe es geht, lässt er offen.
Fest steht jedenfalls, dass die Stadt kein zweites Mal, wie 2008, eine "Einigungssumme" von 30 Millionen an Hochtief zahlen will, weil man sich über den Preis nicht einigen kann. Hamburgs Hochtief-Leiter Thomas Möller hat zwar jüngst gesagt, jeder Cent davon sei verbaut worden. Unbestritten ist aber, dass die Stadt keine Kostenobergrenze festgelegt hatte und also für Geldforderungen und Ausstiegs-Drohungen Hochtiefs sehr anfällig war.
Das will die Stadt künftig verhindern: Am 30. Juni hat sie eine Feststellungsklage eingereicht, um einen verbindlichen Fertigstellungstermin durchzusetzen. Sollte dies gelingen, wäre das Pokern um Geld vorbei: Jede weitere Bauverzögerung müsste dann definitiv Hochtief bezahlen.
3 Nov 2011