taz.de -- Kommentar Russische Parlamentswahl: Es bleibt die Imitation
Der Kreml hat den Bodenkontakt verloren. Mehr als zwei Drittel halten die Wahlen schon im Vorfeld für nicht fair. Die Legitimität der Herrschaft steht auf dem Spiel.
Am Sonntag geht Russland zur Duma-Wahl, und Kreml-Chef Dmitri Medwedjew nahm noch einmal die Gelegenheit wahr, den Bürgern die Essentials der Demokratie aus seiner Sicht zu erläutern. Ziel sei ein stabiles Parlament ohne Gegensätze, ein "Gesetzgebungsorgan, in dem die Mehrheit verantwortungsvolle Politik" mache.
Seit Wladimir Putin Russlands Geschäfte übernahm, ist die Sentenz eines Funktionärs der Staatspartei - "Das Parlament ist kein Ort für Diskussionen" - nicht nur zu einem geflügelten Wort, sondern zur Realität geworden. Sowenig in der Duma debattiert wird, so geringen Einfluss hat des Bürgers Stimme.
"Welche Partei wir auch gründen, heraus kommt immer die KPdSU", meinte der verstorbene Premier Wiktor Tschernomyrdin einst. Auf Wahlen übertragen, bedeutet dies: Auch der Sieger ist immer derselbe - die Staatspartei, ob sie nun "Geeintes Russland" heißt oder "KPdSU".
Dahinter verbirgt sich nur ein anderer Name für den gleichen Inhalt. Russland ist eine nachahmende Demokratie, die westliche Begriffe übernimmt und sie mit dem gegenteiligen Inhalt füllt. Diese Form der Imitation ist immer noch die höchste Stufe russischer Produktivität.
Bislang hat der Souverän das hingenommen. Auch diesmal wird er nicht die Revolution ausrufen. Mehr als zwei Drittel halten die Wahlen aber schon im Vorfeld für nicht fair. Die Legitimität der Herrschaft steht auf dem Spiel. Das ist es, was die Putinisten fürchten. Denn Legitimität lässt sich nicht wie politische Aktivität imitieren. Der Kreml hat den Bodenkontakt verloren.
Auch der Kontakt mit dem Volk lässt sich nicht mehr imitieren. Bleibt noch die bange Frage angesichts des Wahlbetrugs: Sind die beiden Juristen Wladimir Putin und der von ihm zum Grüßaugust degradierte Dmitri Medwedjew auch nur Juristen-Imitate?
2 Dec 2011
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