taz.de -- Kreditwürdigkeit der EU-Länder: Eurokrise bleibt trotz Gipfel

Die Zinsen für Italien sind auf Rekordniveau. Die Ratingagentur Moody's droht, die EU-Länder herabzustufen. Helfen muss der Internationale Währungsfond nicht.
Bild: Die Eurorettung wird auch für Italien immer teurer.

BERLIN rtr/taz | Die Eurokrise verschärft sich weiter - als hätte es nie einen EU-Gipfel in Brüssel am vergangenen Donnerstag und Freitag gegeben. Ein alarmierendes Indiz sind die hohen Zinsen, die Italien am Montag bieten musste, um eine einjährige Anleihe zu platzieren.

Die Rendite lag bei 5,952 Prozent. Zum Vergleich: Noch im Oktober hatte Italien für eine einjährige Anleihe erst 3,57 Prozent zahlen müssen. Offenbar hat es Italien nichts genutzt, dass inzwischen Premier Silvio Berlusconi abgetreten ist und durch Mario Monti ersetzt wurde, der umgehend ein Sparpaket von 24 Milliarden Euro verkündet hat.

Zudem wurde Italien seine neue Anleihe am Montag nur los, weil die Europäische Zentralbank (EZB) parallel kurzfristige Anleihen auf dem Sekundärmarkt aufkaufte, wie Händler berichteten. Auf dem "Sekundärmarkt" werden bereits emittierte Staatsanleihen gehandelt. Auf dem "Primärmarkt" hingegen werden die neuen Staatsanleihen verkauft, indem die Länder Auktionen abhalten. Anders als etwa die US-Notenbank Fed darf die EZB nicht direkt auf dem Primärmarkt eingreifen, sondern muss den Umweg über den Sekundärmarkt gehen.

Kostspielige erfolglose Versuche der EZB

Inzwischen hat die EZB schon weit über 200 Milliarden Euro aufgewandt, um auf dem Sekundärmarkt aktiv zu werden und die Zinsen für bedrohte Eurostaaten zu drücken. Bisher ohne jeden Erfolg: Die Risikoprämien für Italien, Spanien, aber auch Belgien verharren auf Rekordniveau.

Hohe Zinsen sind gefährlich, weil sie die Länder in eine Pleite treiben können. Auf dem Brüsseler Gipfel wurde daher ein Umweg ersonnen, wie man die EZB anzapfen könnte, ohne dass sie direkt auf dem Primärmarkt aktiv wird. Die Idee: Die Euro-Notenbanken sollten dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Kreditlinien in Höhe von 200 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Der IWF würde dann wiederum bei Bedarf einzelnen Euroländern zur Hilfe eilen. Für die Bundesbank würde dies bedeuten, dass sie dem IWF eine Kreditlinie von bis zu 45 Milliarden Euro einräumt.

USA sollen mehr in Währungsfonds einzahlen

Doch kaum war der Brüsseler Gipfel vorbei, zeigte sich auch schon, dass der Umweg über den IWF diverse Probleme birgt. So können Kreditlinien für den IWF nicht zweckgebunden - also nur für Europa - eingeräumt werden, sondern stehen allen Staaten zur Verfügung, die in Schwierigkeiten geraten. Daher wollen die Euroländer nun erreichen, dass auch die USA und andere Nicht-EU-Länder beim IWF mehr einzahlen.

Doch dagegen gibt es Widerstand. Die US-Regierung ließ bereits wissen, dass man nicht vorhabe, beim Kongress mehr Mittel für den IWF zu beantragen. Dass die Eurokrise ungelöst ist, findet auch die Ratingagentur Moody's. Sie kündigte am Montag an, dass sie die Kreditwürdigkeit sämtlicher EU-Staaten überprüfen will.

Ein weiterer Kommentar zur Krise folgt dann spätestens am Mittwoch: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben.

12 Dec 2011

AUTOREN

Ulrike Herrmann

ARTIKEL ZUM THEMA

Stärkung des IWF ohne Briten: Kein Pfund für den Währungsfonds

Der Internationale Währungsfonds wird von der EU nicht wie geplant mit 200 Milliarden Euro aufgestockt. London bremst und hält seinen Anteil zurück - vorerst.

Kommentar Europäisches Geld für den IWF: Kompliziert und blöd

Mit der Überweisung an den IWF soll nur verschleiert werden, dass die Notenbanken Staatshaushalte zu finanzieren bereit wären. Damit umgehen sie die offizielle Doktrin.

IWF-Chefin zur Weltwirtschaft: Schwarzmalerin Lagarde

Der Internationale Währungsfonds sieht schwarz für die Wirtschaft weltweit. Die US-Ratingagentur Fitch wertet die Bonität von sechs Geldhäusern ab - unter anderem der Deutschen Bank.

Mario Monti fordert Unterstützung: Sparpaket gegen Vertrauen

Italiens Ministerpräsident hat seine Sparpläne mit der Vertrauensfrage verknüpft. Am Freitag wird das Parlament darüber abstimmen, ob es weiter hinter dem Regierungschef steht.

Europäische Währungskrise: Regierung rettet Banken

Deutsche Geldhäuser brauchen Kapital, Italien muss Rekordzinsen zahlen – ein Rettungsfonds soll helfen. Trotzdem bezeichnet Kanzlerin Merkel Eurobonds als "Fehler".

Streiks in Italien: Entspannung nach Berlusconi

Mario Monti bliebt auf Sparkurs. Gegen die als "sozial unerträglich" empfundenen Maßnahmen streikten am Montag Beschäftigte in ganz Italien.

Kommentar Politik der EZB: Banken päppeln, Staaten strafen

Aus Sicht der Europäischen Zentralbank ist alles ganz einfach: Banken sind gut, Staaten sind böse. Deshalb soll den Geldhäusern weiter geholfen werden. Das ist abstrus.

Sturm auf Lettlands Bankautomaten: Sparer geraten in Panik

Falscher Konkurs-Alarm: Kunden der Swedbank versuchen ihre Konten leer zu räumen. Die Betreiber sehen in der größten Bank Lettands eine der stärksten Europas.

Cameron unter Druck wegen EU-Veto: Regierungschef in Erklärungsnot

Erst brüskiert David Cameron seine EU-Partner, jetzt muss er sich vor dem heimischen Parlament erklären. Unterstützung bekommt er von den Euroskeptikern in seiner Partei.

EU-Gipfel beschließt Euro-Vertrag: Bremse statt Bazooka

Beim EU-Gipfel setzt sich Angela Merkel mit ihrer "Stabilitätsunion" durch. Alle Länder ziehen mit – außer Grobritannien. Die Finanzmärkte reagieren enttäuscht.