taz.de -- Burg Wulffenstein: Die Gaube des Grauens

Krüppelwalmdach, Sprossenfenster und Harzer Pfanne: Für dieses Haus lieh sich Bundespräsident Wulff eine halbe Million Euro. Doch was sagt es uns über ihn?
Bild: Eine Garage und eine Pergola rahmen das Ensemble ein.

Dach

Das im niedersächsischen Stil aufgesetzte Krüppelwalmdach ist belastbar. So wie der Politikprofi Christian Wulff. Gedeckt ist das Haus mit der roten Harzer Pfanne. Dass sie perfekt zu den Wulffs passt, zeigt der Lobpreis des Herstellers: "Der Dachstein setzt mit seiner Wellenform eine harmonisch ruhige und von den Kunden gewünschte Gleichmäßigkeit […] um. Die Optik vermittelt ein sehr angenehmes Wohngefühl."

Gaube

Die Gaube signalisiert, dass die Wulffs ihren Platz effektiv nutzen: Das Dachgeschoss ist ausgebaut, wird als Wohn-, Arbeits- oder Spielzimmer, kurz als "Dachjuchhee", genutzt. Die Proportionen wirken wie bei der Kreditaffäre verrutscht. Das Mansardenfenster ist nicht schmal und optisch ans Dach angepasst, stattdessen wirkt es aufgebläht und mit seiner Laibung und graublauen Rahmung so fett wie Knautschke.

Ebenso überdimensioniert wirkt das mediale Gebrüll angesichts der Wulffschen Fehler. Sollen Gauben normalerweise Licht und Luft ins Dachgeschoss lassen, will Wulffs Modell einfach mehr: anders sein. Die Gaube des Grauens ist die Bettina Wulff in der Gaubentristesse von Burgwedel.

Fenster

Es gibt schöne Fenster. Rundbogenfenster, Eckfenster oder Erkerfenster. Das Haus Wulff hat keine Fenster, es hat Luken. Denn die einfach gekreuzten Sprossenfenster mit zirka 8 Millimeter dickem Panzerglas sind kaum zum Rein- und Rausgucken gedacht, was auch der Sichtschutz zeigt. Sie tun putzig und historisch, dienen aber der Abwehr. Von Blicken oder Handgranaten. "Sprossenfenster sind das optische i-Tüpfelchen eines Fensters. Sie verleihen einem Haus eine individuelle Note", schreibt ein Hersteller über die Fenster des Präsidenten, der seiner Präsidentschaft ebenfalls eine sehr individuelle Note verleiht.

Fassade

Das Haus Wulff erinnert nur auf den ersten Blick an einen latte-macchiato-farbenen Klinkeralbtraum. In Wirklichkeit aber ist es eine raffinierte Chiffre niedersächsischer Neogotik. Hinter dem Zaun mit zinnenartigen Postamenten erhebt sich ein eingeschossiger Gebäuderiegel mit bunkerhafter Anmutung und vier kleinen, auf retro getrimmten Fenstern. Eine Garage und eine Pergola rahmen das Ensemble ein. Mir kann so leicht keiner was, sagt uns dieses Kastell. Gleichzeitig setzen die orangefarbene Tür, die taubengrauen Fensterrahmen und die Kletterpflanze neckische bis wilde, geradezu tattoohafte Akzente.

Klingel

So x-beliebig wie das Herr-Mustermann-Haus im Burgwedeler Eigenheimbrei daherkommt - an der Klingelanlage erkennt man wirklich, dass hier ein ganz Großer wohnt: "Familie Wulff" steht noch unauffällig am riesigen Briefkasten. Daneben sitzt der Türspion - wohl mit Fisheye-Weitwinkelobjektiv inklusive Kamera. Dahinter kommt die halbrund gemauerte Freitreppe "Hannover" für den kleinen Auftritt der First Lady zu Hause. Die Treppe hat vier Stufen - ein architektonischer Anfängerfehler. Wer sie hochsteigt, betritt sie mit dem rechten Fuß, kommt aber oben mit dem linken Fuß an. Prädikat: nicht stolperfrei.

20 Dec 2011

AUTOREN

Lautenschläger
Schulte

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