taz.de -- Streit um Beschäftigungspolitik: Spiel mit verteilten Rollen
Arbeitsagentur bewilligt 500 Ein-Euro-Jobs für 2012, aber erst ab Ende März. Viele Projekte bedroht. Kompetenzstreit von Arbeitsagentur und Sozialbehörde.
Der aktuelle Konflikt um die Ein-Euro-Jobs hat sich kurz vor Weihnachten etwas entschärft. Am Donnerstagnachmittag gab der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, Sönke Fock, bekannt, dass die Zahl der Arbeitsgelegenheiten (AGHs) für das kommende Jahr von 3900 um 500 erhöht wird. Allerdings werden diese nur von Ende März bis Jahresende finanziert.
Fock betonte, dass die Frage, wie die finanziellen Mittel eingesetzt werden, Sache der Bundesagentur sei. Wichtig sei, dass die Vermittlung in Arbeit und andere Maßnahmen wie die berufliche Qualifizierung "absoluten Vorrang" hätten. Der Konflikt hatte sich Anfang der Woche zugespitzt. SPD-Sozialsenator Detlef Scheele hatte Fock einen in der Öffentlichkeit breit gestreuten Brief geschickt.
Darin forderte er 500 zusätzliche AGHs und eine pauschale Verlängerung für die rund 60 bedrohten Stadtteilprojekte um zwei Monate, damit die Bezirke Zeit gewönnen, alternative Finanzierungen zu entwickeln. "Der zweite Punkt konnte nicht berücksichtigt werden", sagt Agentursprecher Knut Böhrnsen. Das heißt, viele Projekte müssen zum Jahresende schließen.
Die Sprecherin der Beschäftigungsträger, Petra Lafferentz, spricht deshalb von einer Mogelpackung. "Bis April werden die Projekte tot sein. Die Träger haben keine Möglichkeit der Zwischenfinanzierung." Die Entscheidung entspreche nicht dem Beschluss der Bürgerschaft. Man bräuchte auf der Stelle eine "flächendeckende Verlängerung".
Scheele hatte Fock zuvor gedroht, er werde den "Kooperationsausschuss" beim Bund einberufen, wenn sich bis Jahresende keine Einigung abzeichne. Die GAL-Politikerin Filiz Demirel nannte dies einen "öffentlichen Show-Streit", der nicht der Sachlage entspreche. Denn die Bürgerschaft habe dem Senat den klaren Auftrag erteilt, besagte 500 Jobs und Hilfen für bedrohte Stadtteilprojekte zu schaffen.
Der Senator hätte selbst handeln können, so Demirel. Habe die Stadt doch in der "Trägerversammlung" (TV) des Jobcenters die Mehrheit und könne die 500 AGHs einfach beschließen. Doch der Senator sieht sich hier offenbar machtlos. Die "Letztentscheidung" über die Mittelvergabe liege nun mal bei der Arbeitsagentur. Die Pressestellen von Scheele und Fock verteilen derzeit eine Grafik, laut derer die Agentur sogar "Letztentscheidung" über die Gesetzesinterpretation hat.
Streitpunkt ist der noch recht junge Paragraf 44 des Sozialgesetzbuchs II, den der Bund gerade erst nach einem Urteil des Verfassungsgerichts geändert hat, um mehr dezentrale Verantwortung zu ermöglichen. Das "Jobcenter" wird seither als gemeinsame Einrichtung (gE) von Agentur und Stadt betrieben.
Für sich überschneidende Organisationsfragen gibt es besagte sechsköpfige Trägerversammlung. Sie stimmt das "örtliche Arbeitsmarkt- und Integrationsprogramm" ab. Ihr obliegt auch die Planung der Ressourcen, wie es in einem Aufsatz des Sozialrechtlers Ernst-Wilhelm Luthe heißt.
Gibt es bei einer Abstimmung eine Patt-Situation, kann der Vorsitzende - ein Mitarbeiter der Stadt - sein doppeltes Stimmrecht nutzen. "Für das Arbeitsmarktprogramm ist die Trägerversammlung zuständig", bestätigt Luthe der taz. Der Kooperationsausschuss müsse dafür "nicht gefragt werden".
22 Dec 2011
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