taz.de -- Hunderttausende demonstrieren in Syrien: Soldaten schießen wieder
Dem Aufruf der syrischen Opposition zu Demonstrationen sollen hunderttausende Menschen gefolgt sein. Die russische Regierung zeigt sich zufrieden mit den Beobachtern der Arabischen Liga.
BEIRUT rtr/dapd | Ungeachtet einer Beobachtermission der Arabischen Liga haben syrische Soldaten nach den Freitagsgebeten erneut das Feuer auf Demonstranten eröffnet. In Deir-el-Sur im Osten, in Daraa im Süden und in anderen Städten seien Schüsse gefallen, erklärten Aktivisten.
Bei einem Zusammenstoß in der Nähe der libanesischen Grenze seien mindestens vier Menschen getötet worden. Die russische Regierung zeigte sich dennoch zufrieden mit der Arbeit der arabischen Beobachter.
"Moskau beurteilt mit Zufriedenheit den wahren Beginn der Aktivitäten der Arabischen Liga in Syrien", erklärte das Außenministerium am Freitag in einer Stellungnahme. Es verwies darauf, dass der Missionsleiter, ein sudanesischer General, die Stadt Homs besucht habe. "Die Lage dort ist beruhigend, Zusammenstöße wurden nicht registriert." Russland ist einer der wenigen verbliebenen Verbündeten des Regimes in Damaskus.
Aktivisten erklärten, bei einem Angriff der Regierungstruppen seien in der Ortschaft Talkalach nahe der Grenze zum Libanon mindestens vier Menschen getötet worden. Die Opfer hätten zu dem Zeitpunkt nicht protestiert, sodass nicht klar sei, warum sie angegriffen worden seien.
Hunderttausende demonstrieren
Die Anwesenheit der arabischen Beobachter hatte der Oppositionsbewegung in Syrien neuen Auftrieb verschafft. Mehrere Hunderttausend Menschen sind nach Angaben der syrischen Opposition am Freitag im ganzen Land dem Aufruf zu Protesten gegen Präsident Baschar al-Assad gefolgt.
Allein in der Widerstandshochburg Idlib seien nach den Freitagsgebeten 250.000 Menschen durch die Straßen gezogen, teilte die Beobachtergruppe für Menschenrechte mit. Auch in Hama und dem Vorort Duma der Hauptstadt Damaskus demonstrierten nach Angaben von Oppositionellen Zehntausende Menschen.
Der Fernsehsender Al Dschasira strahlte Live-Aufnahmen aus, die nach seiner Darstellung Zehntausende Demonstranten in einem Bezirk der Stadt Homs zeigten. Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe bewarfen die Demonstranten in Duma die Sicherheitskräfte mit Steinen. Mindestens 24 Menschen seien verletzt worden. Die Sicherheitskräfte hätten Tränengas in die Menge geschossen, um sie auseinanderzutreiben.
Die Örtlichen Koordinationskomitees erklärten, seit der Ankunft der Beobachter am Dienstag seien mindestens 130 Menschen von den Sicherheitskräften des Regimes getötet worden, darunter sechs Kinder.
30 Dec 2011
ARTIKEL ZUM THEMA
Sechs Menschen sollen in Städten getötet worden sein, in denen sich gerade die Beobachter der Arabischen Liga befanden. Die Bundesregierung fordert freien Zugang für die Beobachter.
Der syrische Oppositionelle und Berliner Grüne Farhad Ahma wurde in seiner Wohnung zusammengeschlagen. Er ist sicher: Es war Assads Geheimdienst.
Wofür wir kämpfen und was wir schon erreicht haben. Wie das Regime gegen uns vorgeht und was wir von euch wollen. Ein Appell aus dem syrischen Untergrund.
Es wird nicht alles von den arabischen Beobachtern abhängen. Denn der syrischen Opposition muss es gelingen, den Druck von Innen weiter zu erhöhen.
Als der Arabische Frühling begann, war al-Dschasira immer dabei. Für die Revolutionäre wurde er zur Hauptinformationsquelle. Doch die Anerkennung durch den Westen ist labil.
Teile von Homs werden seit vier Tagen belagert und mit Mörsern beschossen. Am Montag starben mehr als 20 Menschen. Die Beobachtermission soll auch dorthin.