taz.de -- Muss Europa deutsch werden? Antwort 8: Fettes Nashorn Deutschland
Die verfolgende Unschuld: Eurokrise und Exportwunder bedingen sich.
Sie zählen 82 Millionen Menschen, glauben aber, sie seien so klein und machtlos wie die Niederländer: Die Deutschen sind ein seltsames Volk. Gern wähnen sie sich als Opfer - am liebsten als "Zahlmeister" der EU - und vermuten misstrauisch, dass sich ständig die Nachbarländer durchsetzten.
Dabei ist Europa längst deutsch! Wie ein fettes Nashorn wälzt sich Deutschland in seiner Mitte. Ein paar Fakten: In Deutschland entstehen etwa 30 Prozent der Wirtschaftsleistung der Eurozone. Gleichzeitig wird Europa mit deutschen Waren überschwemmt: Knapp 60 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen dorthin.
Diese immensen Exporte sind eine Form des Imperialismus, denn umgekehrt kaufen die Deutschen nicht besonders freudig bei ihren Nachbarn ein. Allein in den ersten neun Monaten 2011 betrug der deutsche Exportüberschuss im EU-Handel 93 Milliarden Euro.
Dieses Plus ist nicht harmlos, denn das Geld soll ja nicht in einem Tresor verschimmeln. Dagobert Duck war kein Kapitalist, sondern eine einfältige Ente. Im wahren Leben soll alles Geld Rendite bringen - und angelegt werden. Und so dreht sich ein Karussell, das jetzt den Namen "Eurokrise" trägt. Die deutschen Überschüsse wandern als Kredite an jene EU-Länder zurück, die treu die deutschen Waren importieren.
Irgendwann aber platzt jede Kreditblase. Noch glauben die Deutschen selbstgefällig, dass nur die Italiener oder Griechen schuld seien. Dabei ignorieren die Bundesbürger, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet der Exportweltmeister so viele marode Banken beherbergt.
Stichwort: Commerzbank. Inzwischen musste die Bundesregierung einen zweiten Bankenrettungsfonds auflegen, der erneut 480 Milliarden Euro umfasst. Nicht nur Europa ist deutsch - die Eurokrise ist es auch.
30 Dec 2011
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Eurokrise wird auf die deutsche Realwirtschaft durchschlagen, warnt das IMK-Institut. Für 2012 prognostizieren die Experten bestenfalls eine Stagnation.
Wir sind die Superaussteiger, wenn es um die falsche Energiequelle geht. Aber ohne Verbündete geht nichts.
Wenn die Nationalisten marschieren, reicht Ekel allein nicht aus.
Wer früher nicht genesen wollte, kriegt noch eine Chance.
Blick aus Italien: Tolles Land, Geldwäsche kein Problem – und abgehört wird auch nicht.
Der Blick aus Frankreich: Die Deutschen – nein. Oder doch?