taz.de -- Knigge für Social Media: Nichts als Anstandsspam
Der Deutsche Knigge-Rat veröffentlicht einen Leitfaden für soziale Netzwerke. Die Regelliste soll den Schutz der Privatsphäre garantieren – beispielsweise bei Facebook.
Zum Jahresbeginn mailte der "Deutsche Knigge-Rat" Nutzern von sozialen Netzwerken – einen "[1][Privacy Knigge]". Den zwölf Ratsmitgliedern geht es dabei um "zeitgemäße Umgangsformen" im Netz.
Dabei werfen sie zwei Dinge durcheinander: erstens, dass die "Privatsphäre" seit der Französischen Revolution zu den Menschenrechten gehört, und zweitens, das 1983 vom Bundesverfassungsgericht bestätigte "Recht auf informationelle Selbstbestimmung".
Das eine schränkt die staatliche Willkür ein, das andere erweitert den privaten Datenspielraum. Mit beiden "Grundrechten" hat der "Privacy Knigge" aber nichts zu tun. Seine elterlichen Ratschläge gelten der "Facebook-Generation", die sich gern besäuft, dann nackt knipst und die Fotos hernach ins Netz stellt: "Fragen Sie andere Personen vor dem Hochladen um Erlaubnis" (Punkt 4).
Oder die so luschig ist, dass sie die Bilder stehen lässt und einfach vergisst: Schon bald "lassen sich die Einträge kaum noch löschen, weil die Daten auf ausländischen Servern gespeichert werden, die nicht dem deutschen Recht unterliegen" (Punkt 7).
Damit wird unterstellt, dass es allein an den Nutzern liegt, "anständige Umgangsformen" im Netz durchzusetzen. Dabei ist das doch die große Chance des Internets: dass alle Perversen, Exhibitionisten, Paranoiker, Querulanten, Asozialen, Aufrührer, Gottgläubigen, Satanisten, Islamisten, Voodoopriester, Anarchisten, Gewerkschafter, Waffen- und Briefmarkensammler sich darin austoben können.
Was eher verboten gehört, ist die Warenwerbung: Täglich werde ich überschüttet mit unsittlichen Angeboten für Viagra und Penisverlängerungen. Dahinter steckt ein finsterer Privatgeheimdienst, und irgendwann kriege ich raus, was er bezweckt.
2 Jan 2012
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