taz.de -- Gesetzesvorhaben "SOPA" in den USA: Alle gegen geplante Netzsperren
Der US-Kongress will mit dem "Stop Online Piracy Act" Medienkonzernen einen Neujahrswunsch erfüllen. Doch das Gesetz stößt auf heftigen Widerstand.
Unter amerikanischen Internet-Aktivisten gibt es seit Wochen nur noch ein Thema: Der "Stop Online Piracy Act", kurz SOPA, ist zu einem ähnlich heißen Eisen geworden, wie es in Deutschland einst die umstrittenen [1][Netzsperren] von "Zensursula" von der Leyen waren. Mit SOPA wollen US-Repräsentantenhaus und US-Senat, der mit dem "PROTECT IP-Act" ein korrespondierendes Gesetzespaket plant, den großen Medienunternehmen einen Neujahrswunsch erfüllen.
So soll es künftig möglich sein, illegale Angebote – oder solche, die einzelne Unternehmen oder Behörden für illegal halten – mittels Eingriff in die Internet-Infrastruktur zu sperren.
Das Instrumentarium reicht dabei weit: Von der Blockade von Bezahlanbietern, wie man sie zuletzt – wenn auch seitens der Finanzfirmen freiwillig – etwa im [2][Zusammenhang mit Wikileaks] kannte, über ein Verbot für Online-Werbeunternehmen, mit unerwünschten Internet-Anbietern Geschäfte zu machen, bis hin zur Pflicht von Suchmaschinenbetreibern und Internet-Providern, bestimmte Seiten aus dem Netz zu nehmen.
Bei letzterer Maßnahme ist geplant, am Domain Name System (DNS) zu manipulieren, wie man es bereits von den deutschen Netzsperren kennt: Provider sollen blockierte Adressen nicht mehr korrekt auflösen, sondern Nutzer ins Nirgendwo führen.
Google lehnt Gesetz ab
Doch im Gegensatz zur Entwicklung in Deutschland, wo ganz am Anfang vor allem Netzbürgerrechtler gegen "Zensursula" argumentierten, bildete sich im Kampf gegen SOPA schnell eine breite Koalition. Aktivisten von Verbänden wie [3][//action.eff.org/o/9042/p/dia/action/public/?action_KEY=8173:Electronic Frontier Foundation] oder Public Knowledge waren sich schnell mit Internet-Konzernen einig. So lehnt etwa Google das Gesetzespaket ebenso ab wie Facebook, Twitter, Yahoo, eBay, AOL oder der Browseranbieter Mozilla.
Online-Firmen, die SOPA dagegen positiv gegenüberstanden, mussten mit Ablehnung durch die Netzcommunity rechnen. Das bislang prominenteste Beispiel ist der Internet-Hoster und Domain-Verkäufer GoDaddy. Dieser wäre selbst von den Netzsperren betroffen, sprach sich aber für das Gesetz aus, weil es Piraterie bekämpfe.
Die Antwort folgte auf dem Fuße: Eine Boykott-Kampagne, bei der zahllose Nutzer dem Unternehmen den Rücken kehrten. Ein Sprecher räumte ein, man habe einen Anstieg beim Transfer von Internet-Adressen zu anderen Anbietern festgestellt. Mittlerweile vollführte GoDaddy daher eine Kehrtwende: Nun befürwortet man SOPA nicht nur nicht mehr, sondern sieht sich auch offiziell auf der Seite der Gegner. Ob das hilft, die Kundenabwanderung zu stoppen, bleibt abzuwarten.
Auch in der US-Politik scheint man mittlerweile gemerkt zu haben, dass sich SOPA und sein Bruder PROTECT-IP nicht so einfach durch Senat und Repräsentantenhaus bringen lassen werden. Erste liberale Abgeordnete versprachen, sich das Gesetz noch einmal näher anzusehen.
"Schwarze Liste für das Internet"
Die Argumente der Online-Firmen sind ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Google-Mitbegründer Sergey Brin ließ sich mit den Worten zitieren, das Gesetzespaket stelle die USA auf eine Stufe mit Unterdrückungsstaaten – tatsächlich nutzen auch diese ähnliche Techniken, wie bei SOPA vorgeschlagen. Twitter-Gründer Jack Dorsey und Craigslist-Mann Craig Newmark sind der Meinung, das Gesetz eröffne der Regierung die Möglichkeit, das Internet zu zensieren.
Gut möglich, dass die Konzerne das Thema auf eine neue Stufe heben, indem sie in ihren Angeboten Nutzer auf die Problematik aufmerksam machen. In der Argumentation kommt immer öfter die Wortwahl "schwarze Liste für das Internet" zum Einsatz.
In den US-Medien wird das Thema unterdessen breit debattiert. New York Times-Medienreporter David Carr [4][schrieb] am Wochenende, von SOPA gehe, trotz des realen Problems der Piraterie, eine Gefahr aus. "SOPA würde das Problem nicht lösen und zudem Kollateralschäden verursachen."
3 Jan 2012
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