taz.de -- Ziele der Piratenpartei: Schwärme statt Köpfe
Die Piraten werden politisch mutiger. Für die Bundestagswahl 2013 setzen sie auf "Schwarmintelligenz", aber nicht auf einen Spitzenkandidaten.
Wirklich glücklich klingt Torge Schmidt nicht. "In Umfragen stehen wir derzeit bei sechs Prozent, wir müssen uns also darauf einstellen, in den Landtag einzuziehen", sagt der Spitzenkandidat der Piratenpartei in Schleswig-Holstein. Die Partei hat am Dienstagmittag dazu eingeladen, ihre politischen Ziele in Richtung Landtagswahl in Schleswig-Holstein und Bundestagswahl vorzustellen.
Seit dem Wahlerfolg bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin im September, bei der die Partei mit 8,9 Prozent der Wählerstimmen erstmalig in ein Landesparlament einzog, läuft es gut für die Piraten. Der Mitgliederzustrom reißt nicht ab. Knapp 20.000 sind es nach Parteiangaben derzeit bundesweit, Schleswig-Holstein meldet eine Verdopplung seit September. "Berlin ist natürlich eine hohe Messlatte", sagt Schmidt. Und ein Vorbild, ergänzt der stellvertretende Parteivorsitzende Bernd Schlömer. In Berlin sei es schließlich gut gelaufen, daher wolle man sich daran orientieren.
Unkonventionelle Präsenz
Die Berliner Piraten waren im Wahlkampf mit unkonventionellen Plakaten und Präsenz auf der Straße aufgefallen. Dass es ganz so gut läuft wie in der Hauptstadt, damit rechnet Spitzenkandidat Schmidt nicht: Er gehe von sieben bis acht Prozent aus.
Dabei sind die Piraten derzeit zu einem merkwürdigen Spagat gezwungen: Einerseits bereiten sie sich auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr vor, müssen Fragen zu möglichen Koalitionspartnern, zu Konzepten gegen die Euro-Krise und zur Zukunft der Energieversorgung beantworten. Andererseits müssen sie in Schleswig-Holstein Unterschriften sammeln, um überhaupt zur Landtagswahl zugelassen zu werden.
Die Piraten erscheinen bei ihrem Auftritt mutiger als noch vor einigen Monaten. Auch wenn der Vorsitzende Sebastian Nerz weder zur Euro-Krise noch zum Afghanistaneinsatz Stellung nehmen will - schließlich gebe es für beides noch keinen Parteitagsbeschluss -, finden die Piraten Positionen zu aktuellen politischen Themen. Sie kritisieren, dass ein Gutachten des Umweltbundesamts zum Fluglärm des neuen Hauptstadtflughafens zurückgehalten wird und fordern den Rücktritt des wegen eines Privatkredits unter Kritik geratenen Bundespräsidenten Christian Wulff.
"Als Beamter dürften Sie bei gleichen Vorwürfen gar nicht weiter tätig sein", sagt Schlömer. Eine Veröffentlichung der Nachricht, die Wulff im Zuge der Berichterstattung auf die Mailbox des Bild-Chefredakteurs gesprochen hatte, wollen sie dennoch nicht fordern. "Wir sollten nicht auf Skandal-Sightseeing gehen", sagt die Politische Geschäftsführerin, Marina Weisband.
Für die Diskussion über die Schwere der Verfehlungen reichten die bereits bekannt gewordenen Teile der Nachricht aus. Der Anwalt von Wulff hatte laut Süddeutscher Zeitung gesagt, dass der Präsident eine Veröffentlichung der Aufnahme "nicht fürchte".
5 Prozent sind drin
Mit Blick auf die Bundestagswahl planen die Piraten, in der zweiten Jahreshälfte an die Kandidatenaufstellung zu gehen. Sie wollen mit Landeslisten antreten - einen bundesweiten Spitzenkandidaten wird es also nicht geben. "Wir setzen auf Schwarmintelligenz und weniger auf Köpfe", erklärt Schlömer. Und: "Ich bin zuversichtlich, dass wir die Fünf-Prozent-Hürde erreichen werden."
Bei der Bundestagswahl 2009 bekam die Partei gerade einmal zwei Prozent der Wählerstimmen. In der letzten Umfrage vom 8. Januar liegen die Piraten bei sieben Prozent, im Vergleich zu den Werten zum Jahresende ist das wieder ein leichter Anstieg.
Das Problem des vergangenen Parteitags, zu dem deutlich mehr Mitglieder kamen als erwartet, wollen die Piraten mit dezentralen Parteitagen lösen. Erprobt werden sollen die aber zunächst auf regionaler Ebene. Online-Parteitage seien aber nicht geplant, so Nerz: Dort könne man beispielsweise keine Wahlen durchführen, weil es derzeit keine Möglichkeit gebe, online geheime, aber nachvollziehbare Abstimmungen durchzuführen.
Bei Fragen nach thematischen Lücken geben sich die Piraten selbstbewusst: "Ich sehe keinen Grund, dass wir uns da unter Druck setzen müssen", sagt Nerz. Bis zur Wahl 2013 sei noch Zeit. Weisband räumt ein, dass die Mitglieder sich nicht in allen Themen gut auskennen. "In wirtschaftspolitischen Fragen verfügt unsere Partei in der Masse über wenig Expertise." Wenn man tatsächlich in den Bundestag wolle, müsse sich das noch ändern.
10 Jan 2012
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