taz.de -- Kämpfe in Syrien: Arabische Liga warnt vor Bürgerkrieg

Die Zahl der Tötungen sei zurückgegangen, ansonsten habe das Regime keine Forderungen erfüllt, sagt der Liga-Chef. Paris ermittelt wegen der Todesschüsse auf einen Kameramann.
Bild: Elarabi (2. v. li.) und die Arabischen Liga-Länder haben schon etwas gehandelt. Syriens Mitgliedschaft ist ausgesetzt.

KAIRO/BEIRUT/PARIS afp/dpa | Die Arabische Liga hat sich besorgt gezeigt, dass sich die Unruhen in Syrien zu einem Bürgerkrieg mit weitreichenden Folgen für die gesamte Region auswachsen könnten. "Ja, ich befürchte einen Bürgerkrieg, und die Ereignisse, die wir derzeit wahrnehmen, könnten zu einem Bürgerkrieg führen", sagte Liga-Chef Nabil Elarabi in einem am Freitag in Ägypten ausgestrahlten Rundfunk-Interview.

Eine Delegation der Arabischen Liga soll derzeit in Syrien beurteilen, ob Machthaber Baschar al-Assad einen Friedensplan der Organisation umsetzt. Dabei sind die Beobachter selbst in die Kritik geraten, weil die Gewalt der syrischen Führung gegen Oppositionelle anhält.

Elarabi bezeichnete die Berichte der Beobachter als beunruhigend. Allerdings bestehe kein Zweifel, dass die Zahl der Tötungen mit der Präsenz der Arabischen Liga vor Ort zurückgegangen sei. Die Beobachter sollen in der kommenden Woche den Außenministern der Arabischen Liga einen Bericht über die Lage in Syrien vorlegen.

Unklar ist jedoch, welche Schritte die Liga noch unternehmen könnte, sollten die Beobachter wie erwartet zu dem Schluss kommen, dass die syrische Führung ihre Versprechungen nicht erfüllt hat. Kritiker werfen der Arabischen Liga vor, ein zahnloser Tiger zu sein. Syrische Oppositionelle monieren etwa, dass Assad durch den Einsatz faktisch nur Zeit bekommen habe, um weiter gegen seine Widersacher vorzugehen.

Nach dem Freitagsgebet hat es erneut blutige Zusammenstöße zwischen Regierungstruppen und Oppositionellen gegeben. Wie Aktivisten der Nachrichtenagentur dpa im Libanon sagten, wurde in mehreren Protesthochburgen von Sicherheitskräften das Feuer auf Demonstrationen eröffnet. Dabei kamen den Angaben nach in den Provinzen Homs und Hama mindestens sieben Menschen ums Leben.

Frankreichs Justiz ermittelt wegen vorsätzliche Tötung

Frankreichs Justiz hat derweil eine Autopsie der am Donnerstag aus Syrien in Paris eingetroffenen Leiche des Journalisten Gilles Jacquier angeordnet und Ermittlungen wegen vorsätzlicher Tötung aufgenommen. Der Franzose war am Mittwoch bei einem Mörserangriff in Homs getötet worden, als er in Begleitung staatlicher Aufpasser ein Viertel von Anhängern des Präsidenten Baschar al-Assad besucht hatte.

Die syrischen Behörden machten "bewaffnete Terroristen" für den Angriff verantwortlich. Die Oppositionsbewegung versicherte, dass der Journalist nicht bei einem Angriff von Deserteuren aus der syrischen Armee ums Leben gekommen sei. Der Fernsehsender France Télévisions hat die Rolle der Armee bei dem Angriff in Frage gestellt. "Es gibt beunruhigende Dinge", sagte Informationsdirektor Thierry Thuillier am Freitag der Nachrichtenagentur afp zum Verhalten der Soldaten, die die Journalisten begleiteten. Die Staatsanwaltschaft Paris nahm Vorermittlungen wegen eines möglichen Tötungsdelikts auf.

Regimeschergen brachten die Reporter zu Granteneinschlägen

Die Soldaten hätten die Gruppe der Journalisten, die zusammen mit Jacquier in der syrischen Stadt Homs recherchierte, zunächst eskortiert, berichtete Thuillier. Doch als die ersten Granaten fielen, hätten sich plötzlich alle Bewacher zurückgezogen und die Reporter inmitten von Zivilisten alleingelassen. Die regierungsfreundlichen Demonstranten, die die Journalisten interviewten, hätten die Reporter jedesmal geradewegs zu den Stellen gebracht, wo die Granaten einschlugen. "Warum ist das passiert?", fragte Thuillier.

Die Leiche des 43-Jährigen Jacquier, der seit Jahren als Kriegsreporter arbeitete, sollte am Freitag in Frankreich untersucht werden. Jacquier war am Mittwoch als erster ausländischer Journalist seit Beginn des Aufstands in Syrien vor zehn Monaten getötet worden.

13 Jan 2012

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