taz.de -- Norwegische Geheimdienst-Chefin: Fehltritt, Fehltritt, Rücktritt
Die norwegische Geheimdiensts-Chefin Janne Kristiansen tritt zurück. Die Gründe sind Fehler in der Breivik-Aufarbeitung und möglicher Geheimnisverrat.
STOCKHOLM taz | Erst Lügen und Ausflüchte, dann die Offenlegung geheimster Informationen. Für die Leitung des Verfassungsschutzes ist das keine gute Mischung. Am Mittwochabend reichte Janne Kristiansen, bisherige Chefin des norwegischen "Politiets Sikkerhetstjeneste" (PST) ihren Rücktritt ein. Justizministerin Grete Faremo akzeptierte umgehend und eröffnete gegen sie ein Verfahren wegen möglichen Geheimnisverrats.
Bei einer öffentlichen Anhörung am Mittwoch vor dem Parlamentsausschuss, der etwaige Versäumnisse des PST im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 22. Juli 2011 in Oslo und Utøya aufklären soll, erzählte Kristiansen, dass Norwegen mit eigenem Geheimdienstpersonal in Pakistan aktiv sei. Dies geschah ohne Zustimmung und Wissen der pakistanischen Regierung.
Islamabad reagierte umgehend und verlangte am Donnerstag auf diplomatischem Wege Auskunft über die Aktivitäten. Geheimdienstexperten äußerten die Befürchtung, die norwegischen Agenten in Pakistan könnten nun in Lebensgefahr schweben.
Damit wurde Kristiansen endgültig unhaltbar. Bereits infolge der Terroranschläge hatte sie mangelnde Kompetenz bewiesen. Dass Anders Breivik dem PST nicht aufgefallen war, hatte sie etwa auf dessen "perfektes, arisches Aussehen" geschoben. "Nicht einmal die Stasi" wäre dem Terroristen auf die Spur gekommen, äußerte sie.
Bald stellte sich aber heraus, dass der PST konkreten Hinweisen auf dessen Beschaffung von Bombenbaumaterial monatelang nicht nachgegangen war. Rücktrittsforderungen hatte sie bislang abgelehnt. Vor einigen Wochen hatte die Justizministerin ihr nur noch begrenztes Vertrauen ausgesprochen. Mit dem jetzigen Fehltritt war auch das verspielt.
19 Jan 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Polizei entschuldigt sich für Fehler bei der Festnahme des Attentäters Breivik. Augenzeugen glauben, dass die Behörden noch immer nicht die ganze Wahrheit sagen.
Die Anklageschrift gegen den rechtsextremen Attentäter Anders Breivik ist veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft will auf Unterbringung in der Psychiatrie plädieren.
Anders Behring Breivik verteidigt sein Massaker weiter. Bei einem öffentlichen Haftprüfungstermin in Oslo bezeichnete er die Morde als "vorbeugende Anschläge".
Der norwegische Attentäter darf sich noch vor seinem Prozess im Fernsehen äußern. Er hat einem bisher noch unbekannten Medienkonzern erlaubt, ein Interview mit ihm zu machen.
Ein Gericht ordnet ein neues Gutachten über die Schuldfähigkeit des Attentäters Anders Breivik an. Ob das etwas nutzt, ist umstritten. Breivik lehnt die Zusammenarbeit ab.
Lailia Gustavsens Tochter wurde bei den Anschlägen in Oslo schwer verletzt. Trotzdem plädiert die Abgeordnete weiter für eine offene Gesellschaft.
Nach heftiger Kritik am zu späten Eingreifen der Polizei nach den beiden Anschlägen will die Regierung alle Vorgänge von einer Kommission untersuchen lassen.
In Deutschland werden Sicherheitsmaßnahmen im Internet diskutiert. Die norwegische Geheimdienstchefin ist überzeugt, dass der Attentäter voll zurechnungsfähig ist.