taz.de -- Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: "Occupy DFB!"

Präsidentschaftskandiat Andreas Rüttenauer belagert die DFB-Zentrale. "Mit ihm wäre es bestimmt besser", sagt Vorstandsmitglied Harald Strutz.
Bild: "Ich werde mir das mal genauer anschauen": Gerhard Mayer-Vorfelder im Gespräch mit Andreas Rüttenauer.

FRANKFURT taz | DFB-Präsidentschaftskandidat Andreas Rüttenauer hat am Freitagvormittag sein Zelt vor der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt aufgeschlagen, wo das DFB-Präsidium tagte. Auf der Tagesordnung: die Einberufung des DFB-Bundestages, der am 2. März der Nachfolger von Verbandspräsident Theo Zwanziger gewählt, oder besser gesagt: proklamiert werden soll. Rüttenauer drohte jetzt: "Occupy DFB!" Er werde, sagt der 44-jährige Wahlberliner, "so lange vor der DFB-Zentrale ausharren, bis ich bei den Mitgliedern des Präsidiums Gehör finde".

Kaffee und Kritik

Doch an Rüttenauer führt, das zeigen die Reaktionen vieler Fußballfunktionäre vom Freitag, kein Weg mehr vorbei. Der scheidende DFB-Präsident Zwanziger sagte vor der Sitzung im Gespräch mit Rüttenauer: "Ich habe am wenigsten etwas gegen Ihre Kandidatur. Das gehört dazu." Allerdings sei der DFB ein "Verbände-Verband", nur die Mitgliedsverbände seien dazu berechtigt, Kandidaten zu nominieren. Auf Rüttenauers Hinweis, dass er sich bereits an die 21 Landesverbände gewandt habe und dabei auf Interesse gestoßen sei, sagte Zwanziger: "Da sehen Sie, dann warten wir das mal ab."

Kurz zuvor hatte sich schon Gerhard Mayer-Vorfelder, von 2001 bis 2006 Präsident des DFB, im Gespräch mit Rüttenauer von dessen [1]["Manifest 2020"], einem Plädoyer für die Demokratisierung des Fußballs, sehr angetan gezeigt: "Ich werde mir das mal genauer anschauen", sagte Mayer-Vorfelder. Auch sein Chauffeur zeigte sich interessiert – genauso wie Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußballliga (DFL) und dessen Stellvertreter Peter Peters, der zugleich Manager des FC Schalke 04 ist. "Ich kenne das Manifest und finde es sehr schön", sagte Peters.

Seine Unterstützung bekundete auch der ehemalige belgische Weltklassetorwart des FC Bayern, Jean-Marie Pfaff, der aus nicht bekannten Gründen am Freitag ebenfalls in der DFB-Zentrale zugegen war. "Ich habe alles versucht", sagte Pfaff beim Verlassen des Gebäudes und grüßte Rüttenauer zum Abschied mit dem Victory-Zeichen. DFB-Direktorin Steffi Jones versprach, Rüttenauers Kandidatur und sein "Manifest 2020" in den Verbandsgremien anzusprechen.

Niersbach bleibt unsichtbar

Doch trotz des insgesamt freundlichen Empfangs – eine Sekretärin bot Rüttenauer und seinen Unterstützern sogar Kaffee an – wollen nicht alle beim DFB erkennen, dass mit Rüttenauers Kandidatur jene Zeiten vorbei sind, in denen ein kleiner Kreis von Funktionären ohne jede öffentliche Debatte die Geschicke des mit 6,5 Millionen Mitgliedern größten Sportverbands der Welt bestimmten konnte.

Wolfgang Hochfellner, Busfahrer des DFB und Leiter des Fuhrparks, lehnte jedes Gespräch ab: "Ich will davon nichts wissen." Und Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes erklärte: "Ich werde wahrscheinlich nicht Herrn Rüttenauer, sondern Herrn Niersbach unterstützen." Pikant: Koch ist wie Rüttenauer Bayer, Niersbach hingegen Rheinländer.

Von Rüttenauers Mitbewerber hingegen, dem derzeitigen Generalsekretär Wolfgang Niersbach, lag bis zum späten Nachmittag keine Stellungnahme vor. Den Tag über stand Niersbachs Auto (ein schwarzer Mercedes-Geländewagen mit dem Kennzeichen "F" wie Frankfurt, "WN" wie Wolfgang Niersbach und "2012" wie 2012) zwar auf dem Generalsekretärs-Parkplatz. Doch ob Niersbach schon in den frühen Morgenstunden angereist war oder heimlich durch einen Hintereingang an Rüttenauers Zelt vorbeigeschleust wurde, blieb zunächst unklar. Am späten Nachmittag holte ein Fahrer den Wagen ab – ohne Niersbach.

Am frühen Abend erklärte DFB-Sprecher Ralf Köttker, dass Niersbach das Gebäude bereits einige Stunden zuvor verlassen habe – offensichtlich durch den Hinterausgang. Rüttenauer sprach von einer "Unsportlichkeit". Dies sei ein "klares Zeichen für die steigende Nervosität beim DFB" Bei dieser Gelegenheit wiederholte er seine Einladung zu einem [2][öffentlichen Streitgespräch,] die Niersbach bislang ebenfalls nicht beantwortet hat.

Nach der Sitzung verbreitete der DFB in einer Presserklärung, dass Helmut Sandrock Niersbach als Generalsekretär ablösen solle. Über Rüttenauers Kandidatur wurde Vorstandsmitglied Harald Strutz zufolge nicht gesprochen. Im Anschluss an die Sitzung sagte er zu Rüttenauer: "Mit Ihnen wäre es bestimmt besser gewesen." Da mochte selbst der Kandidat nicht widersprechen.

Andreas Rüttenauer und sein "Manifest für den deutschen Fußball 2020" auf [3][taz.de/dfb-kandidat] und [4][Facebook].

27 Jan 2012

LINKS

[1] http://bewegung.taz.de/aktionen/dfb-kandidat/blogeintrag/andreas-ruettenauer-will-dfb-chef-werden--ich-glaube-an-meine-chance
[2] /Andreas-Ruettenauer-will-DFB-Chef-werden/!86399/
[3] http://bewegung.taz.de/aktionen/dfb-kandidat/beschreibung
[4] http://www.facebook.com/ruettenauer4president

AUTOREN

Deniz Yücel

TAGS

Fifa
Deutscher Fußballbund (DFB)

ARTIKEL ZUM THEMA

Ex-Kandidat Rüttenauer über DFB-Krise: „Niersbach muss zurücktreten“

Beim DFB müsse man sich über gar nichts wundern, sagt Andreas Rüttenauer. Der wollte mal DFB-Präsident werden. Eine neue Kandidatur schließt er nicht aus.

Ein Jahr Wolfgang Niersbach im Amt: Alter Verwalter

Seit einem Jahr hat der Deutsche Fußballbund einen neuen Präsidenten. Der kümmert sich vor allem ums „Kerngeschäft“ – leider.

Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: Diskussion mit Niersbach-Zitaten

Noch hat Andreas Rüttenauer die Hoffnung nicht aufgegeben, offiziell als Kandidat für die Wahl des DFB-Präsidenten nominiert zu werden. Gegenkandidat Niersbach scheut noch immer ein Duell.

FDP-MdB Kurth über den DFB-Wahlkampf: "Ich erwarte parteipolitische Neutralität"

Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden. Die taz befragt dazu Mitglieder des Sportausschusses und des FC Bundestag – nur die Grünen und die FDP antworten.

Andreas Rüttenauer will DFB-Präsident werden: Es geht nicht ums Gewinnen

Grant Wahl forderte 2011 bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten Sepp Blatter heraus. Mit der taz spricht er über Sinn und Chancen scheinbar aussichtsloser Kandidaturen.

Internationale Vermarktung der Bundesliga: Markt der Möglichkeiten

Auch im Ausland steigt der Wert des deutschen Fußballs. Die Bundesliga steigert die Erlöse aus TV-Rechten um 50 Prozent, sieht aber immer noch großes Potenzial.

Rüttenauer for President: DFB-Betonköpfe schweigen sich aus

Die Kampagne für einen demokratischeren DFB findet neue Unterstützung. Andreas Rüttenauer, unabhängiger Kandidat für das Präsidentenamt, wirbt auf Facebook und im Radio.

Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: Politiker unterstützen die Kandidatur

Erste Reaktionen aus dem Bundestag: Politiker von FDP und Grünen freuen sich über die Kandidatur von Rüttenauer. Niersbach schweigt weiter.

DFB-Spitze redet mit Rüttenauer: Wovor hat Wolfgang Niersbach Angst?

DFB-Funktionäre suchen am Freitag das Gespräch mit Andreas Rüttenauer. Nur Mitbewerber Wolfgang Niersbach weigert sich und flieht durch die Hintertür.

Hallo, Verfassungsschutz!: Überwacht uns auch!

Der Verfassungsschutz beobachtet Bundestagsabgeordete der Linkspartei. Die Mitte der Gesellschaft fühlt sich ignoriert. Politiker, Künstler und Journalisten fordern Gerechtigkeit.

Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: DFB diskutiert das "Manifest 2020"

"Donnerwetter", sagt der DFB-Ausschussvorsitzende Klaus Jahn über die Kandidatur von Andreas Rüttenauer. Das "Manifest 2020" sorgt im DFB für Diskussionen.

Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: Niersbach zum offenen Duell gefordert

Kommt der Showdown? Andreas Rüttenauer, Kandidat für das Amt des DFB-Präsidenten, lädt seinen Konkurrenten Wolfgang Niersbach zum öffentlichen Schlagabtausch.

Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: "Ich träume von einem anderen DFB"

Das Wahlverfahren des Deutschen Fußballbundes ist skandalös. Andreas Rüttenauer, DFB-Präsidentschaftskandidat, kämpft weiter um seine offizielle Nominierung.

Andreas Rüttenauer will DFB-Chef werden: "Ich glaube an meine Chance"

Das Wahlverfahren des Deutschen Fußballbundes ist skandalös. Andreas Rüttenauer, DFB-Präsidentschaftskandidat, will den kompletten Verband neu organisieren.

Die besudelte Ehre der Kapitänsbinde: Spielführerstreit in England

Die englische Fußballnation diskutiert über ein Kleidungsstück, das John Terry gehörte, der Boulevard tobt. Auch Nationaltrainer Capello mischt mit – als Terrys Anwalt.