taz.de -- Piraten-Logo zu Acta: Hitlers achtarmiger Helfer

Die Piratenpartei benutzte im Kampf gegen Acta ein Logo, dass manche zu Nazi-Vergleichen animiert. Dabei ist es nur schrecklich unkreativ.
Bild: Sind die Piraten wegen der alten Krake Antisemiten? Zumindest fällt ihnen offenbar nix Neues ein.

Nazivergleiche gehen immer. Vor ein paar Jahren noch mag der Hinweis, etwas erinnere an die offizielle Wortwahl der NS-Zeit oder sei eine Denkfigur, die auch dem Föhrerrrr hätte gefallen können, geeignet gewesen sein, eine Sache in der öffentlichen Debatte im Wortsinne indiskutabel zu machen.

Nach intensiver Nutzung funktioniert der Nazivergleich heute eher wie eine Liftfaßsäule, ein Werbeträger, an dem die Botschaft besser zu sehen ist.

So ergeht es auch gerade wieder einem Logo, das die Piratenpartei 2010 im Kampf gegen das Urheberrechtsabkommen Acta erfand. Darauf eine Krake, die manches mit einer Karikatur aus dem NS-Hetzblatt Stürmer von 1938 gemein hat. Sind die Piraten deshalb Antisemiten? Zumindest fällt ihnen offenbar nix Neues ein.

Über 70 Jahre ist der Nazi-Krake alt, Karikaturisten benutzen die Figur spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts als Metapher für eine alles erdrückende, vielarmige, auch amorphe Macht – um es auf den Punkt zu bringen: eine Verschwörung. Damit sind die Piraten nicht allein, der Datenkrake gehört zur Folklore der Bürgerrechtsbewegung. Dass ausgerechnet dem Protest der Kreativen nichts Kreativeres einfällt, ermüdet eher, als dass es entsetzt.

Dass Nachdenken nicht immer ein gutes Ende nimmt, beweist allerdings wiederum ein Pirat. In einem Tweet fragte Kevin Barth, inzwischen nicht mehr Kreisvorsitzender der Piraten in Heidenheim, Anfang Januar, ob er ein Antisemit sei, nur weil er "die israelische Kackpolitik und den Juden an sich unsympathisch finde, weil er einen sinnlosen Krieg führt."

Auf diese Frage könnte man ernsthaft antworten, auf die Untersuchungen verweisen, die antisemitische Einstellungen auch in der "Mitte der Gesellschaft" erkennen. Ich frage aber lieber, was ich bin, wenn ich getreu einem alten Grundschullehrerdiktum finde, dass Kevin kein Name ist, sondern eine Diagnose.

9 Feb 2012

AUTOREN

Daniel Schulz

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