taz.de -- Kommentar Abgesagter Euro-Gipfel: Ein Chor der Scheinheiligen
Der Refrain, die Griechen seien Schuld, erlaubt es, Griechenland neue Zugeständnisse abzuverlangen. Auch wird die Schuldfrage geklärt, falls das Land pleite geht.
Die Griechen sind schuld. Dies ist der Refrain, auf den sich die Chefs der Eurogruppe geeinigt haben. Ein Krisentreffen der Finanzminister wird abgesagt? - Die Griechen sind schuld, denn sie haben noch nicht ihre Hausaufgaben gemacht. Die geplante Umschuldung stockt? - Die Griechen sind schuld, schließlich führen sie die Verhandlungen mit den Banken. Das Geld für das zweite Rettungspaket reicht nicht aus? - Die Griechen haben miserabel gewirtschaftet.
Der Refrain erfüllt zwei Zwecke: Erstens erlaubt er es, die Griechen am Nasenring über die Bühne zu ziehen und ihnen immer neue Zugeständnisse abzuverlangen. Zweitens geht es darum, schon mal die Schuldfrage zu klären, falls Griechenland doch noch pleite geht. Schaut her, wir haben ihnen so viele Chancen gegeben, beteuert Eurogruppenchef Juncker.
Doch diese Botschaft ist falsch, um nicht zu sagen verlogen. Denn zum einen scheitert die "Rettung" schon seit Monaten an der absurden Sparpolitik, die Merkel und die anderen Eurochefs Griechenland verordnet haben. Sie hat das Land in die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg geführt.
Zum anderen hakt es nicht nur in Athen, sondern auch in Berlin, Den Haag und Helsinki. Deutschland, Finnland und die Niederlande - die letzten drei großen Euroländer mit Triple-A-Rating - weigern sich, ihren Teil zur Stützung Griechenlands beizutragen. Dieser Anteil müsste nämlich größer ausfallen als geplant. Statt 130 Milliarden werden für das zweite Rettungspaket mindestens 145 Milliarden Euro fällig. Doch das wollen die reichen Länder nicht zahlen.
Deshalb erfinden sie immer neue Tricks, um die überfälligen Beschlüsse zu vertagen. Und sie singen immer lauter "die Griechen sind schuld". Es ist ein Chor der Scheinheiligen.
15 Feb 2012
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