taz.de -- Subkultur und Gentrifizierung: "Wir müssen Inseln bewahren"

Mittes Bürgermeister Christian Hanke setzt sich für den Erhalt des Schokoladens ein. Für den SPD-Politiker macht erst die Subkultur Berlin so attraktiv.
Bild: Das Hausprojekt muss bleiben - findet auch die Berlinale

taz: Herr Hanke, Sie bespielen den rechten Flügel der SPD, jetzt entwickeln Sie Sympathien für linke Freiräume. Wie kommts?

Christian Hanke: Ich vertrete pragmatische sozialdemokratische Politik. Und ich vertrete eine Politik der sozialen Stadtentwicklung, die vielfältige Räume in der Stadt erhält. Die Zukunft Berlins kann nur in einer guten Mischung liegen, im Wohnen wie im Kulturbereich.

Sie fechten für den Erhalt des akut räumungsbedrohten Schokoladens. Warum braucht Berlin dieses Kulturprojekt?

Weil der Schokoladen exemplarisch für eine Entwicklung in den letzten 20 Jahren steht, in der immer mehr experimentelle Räume verschwunden sind. Diese Subkulturen und Brüche haben aber zu der enormen Attraktivität Berlins geführt. Deshalb ist es unabdingbar, dass wir in durchgentrifizierten Regionen der Innenstadt wie Mitte-Nord gentrifizierungsfreie Inseln bewahren.

Und der Schokoladen wäre so eine Insel?

Genau. Und das soll er bleiben.

In fünf Tagen wird geräumt.

Die Möglichkeiten des Bezirks sind leider sehr eingeschränkt. Aber wir haben bei ExRotaprint in Wedding gesehen, dass die Rettung mit einem Stiftungsmodell möglich ist. Das ist der Weg, den wir künftig gehen müssen.

Sie haben eine neue Liegenschaftspolitik gefordert. Wie sähe die aus?

Wir müssen wegkommen vom Diktat des Höchstpreisverfahrens beim Verkauf landeseigener Immobilien. Für Kulturprojekte wie den Schokoladen muss es möglich sein, ihre Häuser zum Verkehrswert über Stiftungen zu erwerben und sie so dem normalen spekulativen Verwertungsdruck zu entziehen. Das Problem betrifft ja nicht nur den Bezirk Mitte. Die gleiche Diskussion müssen wir fürs Spreeufer und das Radialsystem führen. Dem Clubsterben dort und anderswo darf die Politik nicht anteilslos zusehen.

Wie erleben Sie die derzeitige Liegenschaftspolitik?

Unterschiedlich. Ich erkenne Problemlösungen, erlebe aber auch oft, dass die Konsolidierung des Landeshaushalts Vorrang hat. Das erlebe ich jetzt aber schon zehn Jahre lang, in denen viel Tafelsilber verscherbelt wurde. Jetzt ist der Punkt gekommen, wo wir genauer hingucken und andere Kriterien finden müssen.

Der Finanzsenator warnt bereits vor der Verschwendung von Steuergeldern.

Auch ich will keine Steuergelder verschwenden. Aber ich glaube, dass wir auch volkswirtschaftlich rechnen müssen. Berlin braucht Orte fürs Großbürgertum genauso wie für den Clubgänger aus Madrid. Sonst werden wir die Konkurrenz zu anderen Städten verlieren. Wir haben ja keine Gewähr, dass die Szene nicht in ein paar Jahren in Warschau oder anderswo ist. Und das hätte mehr als nur touristische Folgen.

Eine neue Politik dürfte eigentlich kein Problem sein: In Mitte regiert Rot-Schwarz, im Senat auch.

Wir arbeiten dran. (lacht) Aber ich muss gestehen: Verschnürt fertig ist das Thema noch nicht.

In Mitte steht ein zweiter Freiraum schon lange vor dem Aus: das Tacheles. Warum interessiert Sie das nicht?

Tut es doch. Ich setze mich seit Jahren für den Erhalt als gemeinwohlorientierter Kulturort ein. Am liebsten wäre mir auch hier eine Lösung mit einem tragfähigen Künstlerverein und dem Kauf des Hauses durch eine Stiftung. Leider waren meine Initiativen erfolglos. Dabei bräuchten wir auch das Tacheles als gentrifizierungsfreie Insel. Wenn man die Oranienburger Straße runtergeht, weiß man, wie ökonomischer Verwertungsdruck eine Stadtteillandschaft verändert.

Und wie wahrscheinlich ist eine Rettung des Schokoladens?

Ich habe noch große Hoffnung, dass wir zu einem Verhandlungsergebnis kommen. Wenn ein Investor die Wahl hat zwischen einem angemessenen Ersatzgrundstück in der Innenstadt oder einer Räumung mit einem Image als Kulturverdränger, dann sollte das höhere Gut auf der Hand liegen.

15 Feb 2012

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Konrad Litschko

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Hausprojekt

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