taz.de -- Ermittlungen gegen Bundespräsidenten: Wulff vor Rücktritt
Bundespräsident Christian Wulff wird wohl seinen Rücktritt erklären. Er kündigte eine Erklärung für 11 Uhr an. Merkel will um 11.30 Uhr ein Statement abgeben.
BERLIN afp | Bundespräsident Christian Wulff will nach Angaben gut informierter Kreise noch am Freitag seinen Rücktritt erklären. Damit werde er die Konsequenzen aus dem Antrag der Staatsanwaltschaft in Hannover ziehen, die am Donnerstag eine Aufhebung seiner Immunität und die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gefordert hat.
Nach Wulffs Erklärung will Bundeskanzlerin Angela Merkel vor die Öffentlichkeit treten. Dafür hat sie ihren für Freitag geplanten Italien-Besuch verschoben.
Nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover auf eine Aufhebung der Immunität von Bundespräsident Christin Wulff waren zuvor neue Rücktrittsforderungen gegen das Staatsoberhaupt laut geworden. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles erklärte, in ihren Augen sei eine "staatsanwaltliche Ermittlung mit dem Amt des Bundespräsidenten unvereinbar." Auch in der schwarz-gelben Koalition schwindet der Rückhalt für Wulff.
"Dass eine Staatsanwaltschaft gegen das Staatsoberhaupt ermitteln will, hat es noch nie gegeben", erklärte Nahles am Donnerstagabend. "Die Vorwürfe gegen Christian Wulff wiegen schwer." SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner sagte der Welt (Freitagsausgabe), ein Rücktritt Wulffs sei jetzt "unvermeidlich". Wulff solle "dem Land und sich einen letzten Dienst erweisen und zurücktreten".
Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin erklärten, Wulff müsse jetzt "mindestens sein Amt ruhen lassen". Die Grünen würden dazu beitragen, dass Wulffs Immunität "zum frühstmöglichen Zeitpunkt" aufgehoben werde. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele forderte Wulff im Tagesspiegel zum sofortigen Rücktritt auf.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Donnerstagabend beim Bundestag eine Aufhebung der Immunität Wulffs beantragt, um ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen möglicher Vorteilsannahme einleiten zu können. Nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen sehe man jetzt "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte und somit einen Anfangsverdacht für Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung". Gegen den Filmproduzenten David Groenewold, der als enger Freund Wulffs gilt, wird im gleichen Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren wegen Vorteilsgewährung eingeleitet.
"Ich glaube, das war's"
Das Land Niedersachsen hatte während Wulffs Amtszeit als Ministerpräsident Bürgschaften für geplante Projekte von Groenewolds Firma bereit gestellt, die aber nicht abgerufen wurden. Groenewold hatte 2007 bei einem gemeinsamen Kurzurlaub auf Sylt die Rechnung für Wulffs Hotelzimmer bezahlt. Das Geld hat Wulff nach Angaben seines Anwalts in bar erstattet.
Wulff steht seit Wochen wegen mehrere Affären in der Kritik. Er war erst am Mittwochabend von einem dreitägigen Staatsbesuch in Italien zurückgekommen, bei dem er sich um Normalität bemüht gezeigt hatte. Zuletzt hatten sich aber immer weniger Koalitionspolitiker offen hinter Wulff gestellt. In Koalitionskreisen hieß es zudem, im Falle juristischer Ermittlungen gegen Wulff werde der Fall eine neue Dimension erreichen.
Die Welt zitierte nun ein Mitglied der FDP-Führung mit den Worten: "Ich glaube, das war's." Die meisten Mitglieder der FDP könnten sich "ein monatelanges Ermittlungsverfahren gegen den Bundespräsidenten nicht vorstellen". Der Chef der Jungen Liberalen, Lasse Becker, sagte dem Tagesspiegel, wenn der Bundestag sich für eine Aufhebung der Immunität aussprechen sollte, "dann muss Herr Wulff sehr genau in sich gehen und überlegen, was das für das Amt bedeutet".
Der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe Niedersachsen im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung", Wulff müsse "jetzt seine Schlüsse ziehen". Der stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Meister, sagte dem Tagesspiegel, eine Aufhebung der Immunität würde eine "völlig neue Situation" schaffen, die es so noch nie gegeben habe.
Der Immunitätsausschuss des Bundestags wird sich womöglich noch in diesem Monat mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft befassen. Bereits für Freitag wurde eine Erklärung Wulffs erwartet.
17 Feb 2012
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