taz.de -- Kommentar zur Oscar-Verleihung: Globaldiplomatie in zwei Minuten

Der große Sieger der Academy-Award-Verleihung war "The Artist", Ausdruck einer besonderen Kino-Passion. Für den denkwürdigsten Moment sorgte allerdings ein Iraner.
Bild: Könnte als Bruder Gaddafis durchgehen: Sacha Baron Cohen bei den Oscars.

Die Oscars sind das perfekte Medienereignis der Gegenwart: eine mehrstündige Gala, von der am Ende fünf, sechs Clips auf Youtube für die Ewigkeit bleiben. 2012 herrscht in diesen Clips ein französischer Akzent vor.

Denn der große Sieger der 84. Academy-Award-Zeremonie ist "The Artist" von Michel Hazanavicius, das Produkt einer außergewöhnlichen Passion für das Kino. Hier wird ausgerechnet die Ära heraufbeschworen, in der die Oscars erfunden wurden – die späten 1920er Jahre, als der Stummfilm durch den Tonfilm abgelöst wurde.

Vor dieser Hommage an das eigene "Goldene Zeitalter" konnte die Academy weder die Augen noch die Herzen verschließen. "Hugo Cabret" von Martin Scorsese hingegen, in dem ein Italoamerikaner von Paris und den allerfrühesten Jahren des Kino träumt, blieben Erfolge nur in den technischen Kategorien.

Doch wird von dieser Gala vor allem ein Clip die Zeit überdauern: Der Moment, in dem mit Asghar Farhadi aus dem Iran die Bühne betrat, und den Oscar für den besten ausländischen Film für "Nader und Simin – Eine Trennung" in Empfang nahm – nicht als Vertreter eines fundamentalistischen Gottesstaats, sondern einer jahrtausendealten Hochkultur.

Das war Globaldiplomatie in zwei Minuten Und ein Vorgeschmack dessen, was die sich jährlich stärker internationalisierenden Oscars in der Zukunft noch stärker werden können: Weltpreise des Kinos.

27 Feb 2012

AUTOREN

Rebhandl

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