taz.de -- Sat.1-Film "Die Rache der Wanderhure": Der Kuschelsender bleibt unbefleckt

Schwertkampf, Mittelaltermarkt-Ästhetik, ewige Liebe und Alexandra Neldel: Das einzig Schlüpfrige am Sat.1-Eventfilm "Die Rache der Wanderhure" ist sein Titel.
Bild: Ganz züchtig: Alexandra Neldel als wandernde Hure.

Keine Frage, zehn Millionen Zuschauer können nicht irren, nicht aus der Perspektive eines kommerziellen TV-Senders wie Sat.1. Also folgt auf "Die Wanderhure", den überraschenden Publikumserfolg aus dem Jahr 2010, am Dienstag nun "Die Rache der Wanderhure" – und einen dritten Teil wird es auch noch geben. Mindestens.

Wer nun den ersten Film nicht gesehen hat und wer auch die zugrunde liegende Iny-Lorentz-Romanserie nicht kennt – etwa weil er seine Anregungen dem Feuilleton seiner Tageszeitung entnimmt, wo besagte Literatur aber nicht stattfindet –, sollte sich durch den promiskuitiven Titel nicht täuschen lassen.

Es ist mitnichten so, als besänne sich Sat.1 seiner schlüpfrigen Wurzeln und würde nun etwa versuchen, mit lustigen Softpornos im Stile der "Josefine-Mutzenbacher"-Filmchen verloren gegangene Marktanteile zurückzugewinnen. Das ginge auch allzu sehr gegen das so mühsam aufgebaute Image des "Kuschelsenders".

Apropos Kuschelsender, diesen Begriff liebt der zurückgekehrte Sat.1-Sohn Harald Schmidt. Wenn er ihn in den Mund nimmt und dann auf der Zunge zergehen lässt, klingt er nur irgendwie immer so maliziös. Wobei Sat.1 den abschließenden Teil von Schmidts Show derzeit praktisch ausschließlich zur Cross-Promotion anderer Senderware nutzt – und so war in der vergangenen Woche die "Wanderhuren"-Hauptdarstellerin Alexandra Neldel ("Verliebt in Berlin") zu Gast. Auch sie sprach vom "Kuschelsender" und wollte – sicher ist sicher – den möglicherweise besorgten Zuschauern mit dieser Bezugnahme die Angst vor dem Ausbleiben eines Happy Ends nehmen. Beim "Kuschelsender": undenkbar.

"Auch wenn Kontinente zwischen uns liegen, ich werd' immer bei dir sein." Die Liebe zwischen der zwischenzeitlich in den Hafen der Ehe eingelaufenen Wanderhure und ihrem Gatten kennt keine Grenzen. Deshalb kann es auch nur eine Falschmeldung sein, als man ihr zu Beginn des Films vom Tode ihres Mannes auf dem Schlachtfeld berichtet.

Nach zwei Stunden (die Werbung abgerechnet) mit viel Schwertkampf und wenig Hurerei werden die Liebenden also wieder vereint sein. Nach zwei Stunden, die ziemlich genau so aussehen und sich auch so anhören wie ein ostdeutscher Mittelaltermarkt.

"Die Rache der Wanderhure", 20.15 Uhr, Sat.1

28 Feb 2012

AUTOREN

Jens Müller

TAGS

Urteil
SAT 1
Nürtingen

ARTIKEL ZUM THEMA

Verlagsstreit zur „Wanderhure“: Lauf, kleine Hure, lauf

Darf die „Wanderhure“ auch Wanderwege gehen? Ja, sagt das Oberlandesgericht Düsseldorf – und wertet einen ironischen Buchtitel als Kunst.

Kolumne Fernsehen: Möpse und Mittelalter

Vergewaltigung, Folter, Peitschen – Sat.1 holte für die „Wanderhure“ alles aus dem SM-Keller. Doch es reichte nicht. Zum Glück.

Niedergang von Sat.1: Der Konservenkanal

Mit dem Ende der „Harald Schmidt Show“ am Donnerstag verliert der Privatsender-Pionier Sat.1 weiter an Bedeutung. Chronik eines Niedergangs.

Fernsehen nach Harald Schmidt: Was nun, Herr Schmidt?

Deutschlands bekanntester Late-Night-Talk wird abgesetzt. Ein Anlass zur Trauer, absehbar oder völlig egal? Drei taz-Experten über den Mann aus Nürtingen.

Fernsehmesse in Cannes: Wanderhure serviert Europudding

Die größte Fernsehmesse der Welt lässt erkennen, dass uns noch mehr Mittelalter im TV droht. Wenigstens wird es international produziert.

Produzent Benedict über Mittelalterfilme: "Fern, fremd, faszinierend"

Mittelalterfilme sind populär, wie die aktuelle Verfilmung von "Die Säulen der Erde". zeigt. Produzent Benjamin Benedict will noch mehr Bücher verfilmen, denn das Mittelalter sei höchst gegenwärtig.

Kolumne Fernsehen: Luder, Loden, Mittelalter

Das Sex-und-Mittelalter-TV-Drama "Die Wanderhure" hatte gute Quoten – und unser Autor deshalb Angst: vor historischen Samenergüssen auf Veronica Ferres.