taz.de -- Kolumne Alles Bio?: Die Kaninchen-Schlange-Blockade
Erster Wahlgang, Bundespräsident fertig, Kaffee trinken – die Gauck-Wahl wird zack-zack gehen. Danach könnten SPD und Grüne ja mal in die inhaltliche Debatte einsteigen.
Was unternimmt man nur am 18. März? Als Freundin des Schweinejournalismus ist das für mich natürlich eine schwere Entscheidung. Will man sich wirklich diese Bundesversammlung ansehen, schöne Reden von der ersten freien Volkskammerwahl, Freiheit, Hallelujah? Beobachten, ob wieder Blumen zu früh reingebracht werden und ob wer was dazu twittert?
Das wird doch dieses Mal zack-zack gehen, erster Wahlgang, Bundespräsident fertig, Kaffee trinken. Sind sich ja auch alle einig. Die paar, die nicht für Gauck sind, werden dann mehr oder weniger empört in Mikrofone sprechen, um von einem "Kartell des Neoliberalismus" zu halluzinieren.
Ist zwar schon verwunderlich, wie fix, reibungs- und diskussionslos der Kandidat aufgestellt wurde. Aber was will man machen. Das Ganze ist halt eine folgerichtige Entwicklung aus der rot-grünen Aktion im Jahr 2010. Konnte natürlich keiner damit rechnen, dass es Wulff nicht die üblichen fünf Jahre machte. Und jetzt zieht man's halt durch. Mit einem pauschalen "Man muss ja nicht alle Positionen teilen". Ohne inhaltliche Debatte. Und das ist so schade!
Schade, dass SPD und Grüne sich nicht durchringen können zu der Aussage, dass Occupy in der Tat "unsäglich albern" ist. Dass es in der Tat problematisch wäre, Stichwort Stuttgart 21, wenn sich eine Protestkultur etablierte, "die aufflammt, wenn es um den eigenen Vorgarten geht". Und dass Demos gegen Hartz IV als "Montagsdemonstrationen" bezeichnet wurden, ist sehr wohl "geschichtsvergessen". Was denn sonst?
Da scheinen die Politiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen blockiert. Kaninchen, Schlange, Sie wissen schon. Bei Kritik macht man einfach mal dicht und streitet alles ab, egal, wie das Argument lautet. Und über Extremismus, Deutschland und Geschichte soll man gar nicht reden. Das sei "Schweinejournalismus", sagt Jürgen Trittin.
Dann muss man ja auch nicht weiter fragen. Nach der Wahl kann man da sicher nochmal drüber reden, aber jetzt ist erstmal Schicht im Schacht.
Ouessant-Schaf oder Berghainbesuch
Einige meiner Freunde werden am 18. März verreisen. Ich denke auch: Das wäre eine gute Gelegenheit, um mal wegzufahren. Jetzt wäre vielleicht mal der Zeitpunkt, das Ouessant-Schaf zu besuchen, das ich in [1][meiner wohl wirrsten Kolumne] erwähnte. Bis man auf der Insel Ouessant vor der Bretagne angekommen ist, ist aber wohl schon Ostern. Selbst Usedom oder Rügen sind zu weit weg.
Bleibt nur ein Techno-Club in Berlin. Am Sonntag, den 18. März, um sechs aufstehen, Smartphone aus – Sekt und Spaß an. Bundesversammlung wegfeiern. "Bis 18 Uhr aus dem Berghain raus" (Trittin zur Bundestagswahl 2009) muss man ja auch nicht, "um noch zu wählen". Der Sieger steht ja eh schon fest. Schlimm ist das irgendwie auch nicht.
Übrigens: In der Jungle World gab es mal eine Überschrift "Niemand muss Deutschland lieben". Hab ich mir ausgeschnitten und in meinem Zimmer aufgehängt. Denn mit diesem Satz ist alles zum Thema gesagt. Falls doch noch wer drüber reden will.
27 Feb 2012
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