taz.de -- Kommentar Beate Klarsfeld: Keine Helden, keine Schurken

Mag sein, dass die selbstgerechte Kampagne gegen Klarsfeld einen Sinn hat: als Kontrastmitel zu Klarsfelds Selbststilisierung als Heldin. Eine Schurkin ist sie auch nicht.

Die CDU hält Beate Klarsfeld als Bundespräsidentin für „völlig untragbar“, weil sie 1968 von der SED Geld für ihre Anti-Kiesinger-Kampagne bekommen hat. Muss die Linkspartei nun also ihre Kandidatin zurückziehen?

Dass die Union sich nicht für eine Frau erwärmt, die einen CDU-Kanzler ohrfeigte, ist naheliegend. Dass Springer-Zeitungen, die eifrigsten Unterstützer von Joachim Gauck, SED-Akten ausgraben, ist auch nicht überraschend. Aber die Frage bleibt: Hat Klarsfeld unverantwortlich mit einer Diktatur kooperiert? Die SED hat sie benutzt, um der Bundesrepublik zu schaden.

Exnazis wie Globke & Kiesinger im Westen waren das beste Argument für die DDR. Vielleicht das einzige. Klarsfeld hat umgekehrt aber auch die SED benutzt. Um zu beurteilen, ob das legitim war, mag man an Thomas Harlan erinnern, Sohn des NS-Regisseurs Veit Harlan. Der führte, wie Klarsfeld, einen Krieg: Er durchforstete im kommunistischen Polen die Archive, um Altnazis dingfest zu machen.

Harlan förderte Material für mehr als tausend Prozesse gegen NS-Täter zu Tage – und natürlich versprachen sich die polnischen Machthaber davon eine Schwächung der Bundesrepublik. Der Exnazi Hans Globke, enger Vertrauter von Adenauer, sorgte damals dafür, dass Harlan für zehn Jahre der deutsche Pass entzogen wurde.

Harlan gab seine Arbeit auf – nachdem er entdeckt hatte, dass der oberste Nazijäger im Westen, der Leiter der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen, selbst ein Exnazi war. Es ist zu befürchten, dass die CDU auch jemanden wie Thomas Harlan für „völlig untragbar“ halten würde.

Mag sein, dass die selbstgerechte Kampagne gegen Klarsfeld einen Sinn hat: als Kontrastmitel zu Klarsfelds Selbststilisierung als Heldin. Keine Helden, keine Schurken. Grauzonen – was sonst?

9 Mar 2012

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Stefan Reinecke
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