taz.de -- Kommentar Griechenland: Das Märchen vom Schuldenschnitt
Griechenland werden großzügig 107 Milliarden Euro in Schulden erlassen, doch aus alten Schuldscheinen werden nur neue. Nutznießer sind die Banken.
Hut ab, meine Herren Banker! Auf mehr als die Hälfte eurer Forderungen verzichtet ihr also tatsächlich, um das arme Griechenland zu retten und dessen bevorstehende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Mit diesem beherzten Schuldenschnitt im Umfang von sage und schreibe 107 Milliarden Euro müssten jetzt ja alle Probleme gelöst und die Griechen voll überströmender Dankbarkeit sein.
Weit gefehlt. Und das liegt keineswegs nur daran, dass die öffentlichen Gläubiger, also zum Beispiel der deutsche Staat, keine Schulden erlassen. Durch den Schuldenschnitt der Privaten allein würde der griechische Schuldenberg schon um rund ein Drittel schrumpfen, und das wäre ja auch nicht schlecht. Würde. Wäre. Die Realität ist komplexer.
Der Schuldenschnitt war die Voraussetzung für das zweite Griechenland-Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro. Der größte Teil des Geldes kommt jedoch in Form neuer Kredite und erhöht so den gerade eben ein wenig abgetragenen griechischen Schuldenberg wieder. Alte Schulden weg, neue Schulden drauf – unterm Strich dürfte sich die Verschuldung Griechenlands durch die Aktion um gerade mal 4 Prozent verringern.
Die Euro-Finanzminister äußern wohlweislich nur ganz vage die Hoffnung, dass sich die griechische Verschuldung bis 2020 von 160 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert. So langsam wird klar, warum der Aufschrei der Banker über den politisch erzwungenen „freiwilligen“ Schuldenschnitt praktisch unhörbar war. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei lediglich um eine Umschichtung. Für ihre alten Schuldscheine, die auf dem Markt ohnehin nicht mehr viel wert waren, erhalten die Banken neue.
Die haben zwar einen geringeren Nominalwert, aber ihr Marktwert wird viel höher sein, weil Griechenland mithilfe des Rettungspakets den Schuldendienst auch tatsächlich leisten kann. Das ist ja der Sinn der Hilfsgelder. Nutznießer sind also allein die Gläubigerbanken. Der griechischen Bevölkerung kommt davon kein Cent zugute.
Diesen Schuldenschnitt braucht weder Griechenland noch die Eurozone, denn die griechische Wirtschaft steht hinterher genauso mies da wie vorher. Was nötig ist, ist ein echter Schuldenerlass. Und bei dem werden sowohl Banken als auch öffentliche Gläubiger wohl oder übel wirklich Federn lassen müssen.
9 Mar 2012
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