taz.de -- Erinnerung an 11. März 2011: Schweigen gegen den GAU

Mit einer Schweigeminute haben Tausende Japaner der Opfer der Dreifachkatastrophe vor einem Jahr gedacht. Auch in Deutschland wird an Fukushima erinnert.
Bild: Gedenken am Strand von Sendai, Japan.

TOKIO dpa | Mit Trauerzeremonien und einer Schweigeminute haben am Sonntag die Japaner ihrer Opfer der Tsunami-Katastrophe von vor einem Jahr gedacht. Um 14.46 Uhr Ortszeit (6.46 Uhr MEZ) senkten die Menschen in den nordöstlichen Katastrophengebieten und anderen Orten ihre Köpfe.

Zu dem Zeitpunkt hatte am 11. März 2011 ein gewaltiges Erdbeben der Stärke 9,0 Japan heimgesucht. Ein dadurch ausgelöster Tsunami riss mehr als 15.800 Menschen in den Tod, mehr als 3.000 weitere werden noch vermisst. Im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi kam es zum GAU.

Bei einer Gedenkzeremonie im Nationaltheater von Tokio drückte Regierungschef Yoshihiko Noda den Opfern sein Beileid aus. "Ich verspreche, dass wir mit allen Kräften den Wiederaufbau der betroffenen Gebiete vorantreiben", sagte Noda.

An der Zeremonie nahmen auch Kaiser Akihito und seine Gemahlin, Kaiserin Michiko, zusammen mit Angehörigen von Opfern teil. Der erst vor wenigen Tagen am Herzen operierte 78 Jahre alte Monarch mahnte, Lehren aus der Katastrophe an die künftigen Generationen weiterzugeben. Sie dürfe "nicht vergessen" werden.

Akihito sprach zugleich allen Helfern sowie den Reparaturtrupps in dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima seinen Dank aus. Das Monarchenpaar hatte in den vergangenen Monaten selbst immer wieder in rührender Anteilnahme den Überlebenden in Notunterkünften Trost gespendet und Mut gemacht. Noch immer leben Zehntausende von Japanern in Behelfsunterkünften.

"Fukushima mahnt - Atomanlagen jetzt abschalten"

Auch in Deutschland und anderen Ländern der Welt wird an diesem Tag an die größte Katastrophe in Japan seit dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Atomkraftgegner und Umweltverbände wollen in vielen Teilen Deutschlands auf die Straße gehen.

Unter dem Motto "Fukushima mahnt - Atomanlagen jetzt abschalten" sind Demonstrationen in mehreren Orten geplant. Im Braunschweiger Land rund um das marode Atommülllager Asse wird eine 75 Kilometer lange Lichterkette organisiert. Die Veranstalter erwarten bei den Aktionen mehr als 20.000 Teilnehmer.

Bis zu 15 Meter hohe Flutwellen hatten vor einem Jahr japanische Städte und Dörfer verwüstet. 115.000 Gebäude entlang eines 400 Kilometer langen Küstenstreifens wurden vollständig zerstört. Mehr als 340.000 Menschen mussten in Folge der Katastrophe ihre Heimat verlassen. Allein gut 87.000 Menschen flohen vor der Gefahr einer Verstrahlung durch das vom Tsunami zerstörte Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Weite Gebiete nahe der Atomruine sind noch immer so verstrahlt, dass eine Rückkehr der Menschen als höchst ungewiss gilt.

Am ersten Jahrestag der Katastrophe demonstrierten in Tokio und anderen japanischen Orten Menschen für eine Abschaffung aller AKW. Insgesamt aber ist die Beteiligung an solchen Anti-Atom-Protesten in Japan trotz der Katastrophe in Fukushima weiterhin relativ gering.

Das japanische Fernsehen zeigte am Sonntag immer wieder Menschen, die trotz der Katastrophe nach vorne schauen wollen. Schulklassen sangen Lieder, in denen es um Liebe zur Heimat, Überwindung von Traurigkeit und den Zusammenhalt der Gemeinschaft geht. Manche Opfer befürchten, dass die Katastrophe bei der breiten Bevölkerung in Vergessenheit gerät und der Wiederaufbau der Gebiete zum lokalen Problem verkommt. "Bitte vergesst uns nicht", sagte eine Frau in der Stadt Kesennuma.

11 Mar 2012

TAGS

Japan

ARTIKEL ZUM THEMA

Seltene Ansprache an die Öffentlichkeit: Japanischer Kaiser erwägt Abdankung

Er hat keine politische Macht, gilt aber als „Staatssymbol“: Der japanische Kaiser Akihito hat den Wunsch signalisiert, abzudanken – aus gesundheitlichen Gründen.

Ein Jahr nach Fukushima: „Ich bin Kanonenfutter“

Als die Erde bebte, war er mitten im Meiler. Ein Mitarbeiter erinnert sich an die Katastrophe von Fukushima. Noch heute ist er im AKW tätig.

Besuch in Japans Atomaufsichtsbehörde: „Die neuen Kraftwerke sind neuer“

Während der Katastrophe von Fukushima fiel die japanische Atomaufsichtsbehörde durch ihre seltsamen Entwarnungen auf. Ein kurzer, absurder Besuch ein Jahr später.

Ein Jahr nach Fukushima: „Das war Hysterie“

Chef-Atomlobbyistin Astrid Petersen im sonntaz-Gespräch: In Fukushima wurden Fehler gemacht, aber deutsche AKWs seien sicher.

Streit der Woche: „Der Abstieg wandelt sich zum Absturz“

Ist die Atomkraft nach Fukushima am Ende? Nuklearexperte Mycle Schneider ist sich sicher, dass die Atomenergie längst ausgedient hat.