taz.de -- CDU-Modell für Lohnuntergrenzen: Niemand ist wirklich überzeugt

Die CDU will keinen Mindestlohn. Aber doch eine „verbindliche Lohnuntergrenze“. Diee Idee überzeugt weder die Arbeitgeber noch die Gewerkschaften.
Bild: Lieber keine „Lohnuntergrenze“: Die Gewerkschaften fordern einen bundesweiten Mindestlohn.

BERLIN taz | In der Union hat eine Arbeitsgruppe der Fraktion Details erarbeitet, wie der Mindestlohn à la CDU umgesetzt werden soll. Doch die Tarifparteien sind davon nicht begeistert. Mitte November 2011 hatten die Delegierten des Parteitags ihrer CDU ein soziales Lifting verpasst: Nach hitziger Debatte stimmten sie für „eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze“ in tariflosen Zonen. Allerdings, so beschlossen die CDUler, obliege es allein den Tarifparteien, sich auf eine solche Lohnuntergrenze zu einigen.

Nun haben Vertreter des Wirtschafts- und Sozialflügels der Union ihre Vorschläge konkretisiert: In einer Kommission sollen Arbeitgeber und Gewerkschafter demnach mit jeweils sieben Vertretern am Tisch sitzen, um zu verhandeln. Ob die Kommission die Mindestlöhne nach Branchen und Regionen differenziert, ist ihr überlassen. „Wir schreiben in das Gesetz rein, dass sie differenzieren können, aber nicht müssen“, sagte Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Doch was passiert, wenn sich die Tarifparteien nicht einigen? „Dann entscheidet ein Schlichter, dagegen ist kein Einspruch möglich“, sagte Weiß. Wer diese Schlüsselposition übernehmen soll, ist noch nicht klar, sie soll allerdings nicht aus der Politik kommen, so Weiß. „Die Politik drückt sich vor ihrer Verantwortung und uns will man ins Kämmerlein schicken, um mit den Arbeitgebern über tariflose Zonen zu verhandeln“, sagt dazu Ver.di-Sprecher Christoph Schmitz. Für die Gewerkschaften ist klar: Es braucht einen einzigen, allgemeinen Mindestlohn, der nicht unter 8,50 Euro in der Stunde liegen darf.

Wie problematisch die Einschränkung auf tariflose Zonen ist, zeigt Ostdeutschland. Friseure in Thüringen bekämen auch weiterhin nur 3,18 Euro brutto Stundenlohn, weil dieser Armutslohn per Tarifvertrag, übrigens mit Ver.di, vereinbart wurde. Und Floristen in Sachsen immer noch 4,35 Euro. Obwohl man bei Ver.di eine Kommission kritisch sieht, wird man sich ihr wohl nicht verweigern. „Aber es gibt Schmerzgrenzen. Wir vereinbaren keine Armutslöhne, nur damit Mindestlohn draufsteht“, sagte Schmitz.

FDP klammert am Koalitionsvertrag

Die Arbeitgeber hätten am liebsten gar kein neues Modell. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt betont immer wieder, schon heute könne man bei „sozialen Verwerfungen“ in einer schlecht organisierten Branche Mindestlöhne festlegen. Passiert ist das wegen des komplizierten Verfahrens auf diesem Weg allerdings bisher kein einziges Mal.

Bei der FDP klammert man sich derweil an den Koalitionsvertrag. „Da steht, einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab“, sagte Heinrich Kolb, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Ab April will die CDU beim Koalitionspartner für ihr Konzept werben. Doch Kolb hält es für trickreiches Durchlavieren. „Man sagt, man greift nicht in die Tarifautonomie ein, tut es aber über die Nachwirkung doch.“

In der Tat gibt es in der CDU-Arbeitsgruppe Überlegungen, wie man mit Tarifverträgen mit Niedriglöhnen verfährt, die zwar ausgelaufen sind, aber wegen der sogenannten Nachwirkung jahrelang weiter gelten können. So sollen den Beschäftigen eigentlich Gehälter, Urlaubs- oder Arbeitszeitregelungen erhalten bleiben. Doch jetzt würde die Nachwirkung zur Barriere gegen den Mindestlohn. CDU-Mann Weiß schwebt vor, solche nachwirkenden Tarifverträge künftig zumindest im Bereich der Entlohnung außer Kraft zu setzen. „Auf Dauer dürfen solche Verträge nicht die Lohnuntergrenze unterbieten“, sagte er.

19 Mar 2012

AUTOREN

Eva Völpel

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