taz.de -- Vernichtendes Urteil über Irland: Durch und durch korrupt
Eine Kommission listet auf 3.000 Seiten Fakten über die irische Staatsführung auf: Regierung und Verwaltung waren über Jahre von Korruption durchdrungen.
DUBLIN taz | Irlands Politiker sind korrupt und verlogen - und zwar quer durch alle großen Parteien. Zu diesem Ergebnis kommt ein Tribunal unter Vorsitz des Richters Alan Mahon. Die Untersuchungen dauerten 15 Jahre und kosteten mehr als 250 Millionen Euro.
„In der irischen Politik war Korruption sowohl endemisch als auch systematisch“, heißt es in dem mehr als 3.000 Seiten Bericht. „Sie hat alle Ebenen der Regierung durchdrungen, von hochrangigen Ministern bis hin zu Bezirksverordneten. Die Existenz der Korruption war weithin bekannt und wurde toleriert.“
Am schärfsten kritisiert Mahon den früheren Premierminister Bertie Ahern von der Partei Fianna Fáil, der elf Jahre lang an der Spitze der Regierung stand. Er habe gelogen, was seine undurchsichtigen Einnahmen betreffe.
Seine Erklärungen für den ständigen Geldfluss waren abenteuerlich: Einmal hätten Freunde im Wirtshaus eine Sammlung veranstaltet, um ihm aus der durch seine Scheidung verursachten finanziellen Patsche zu helfen. Ein anderes Mal habe er 50.000 Pfund auf sein Konto eingezahlt, die er sieben Jahre lang gespart und unter der Matratze gehortet habe, weil er in dieser Zeit kein Bankkonto besaß.
Und schließlich griff er auf eine Erklärung zurück, die selbst Kleinkriminellen peinlich wäre: Er habe beim Pferderennen gewonnen. Wegen dieser Angaben sei nicht klar, ob es sich bei den Zahlungen um Korruption gehandelt habe, heißt es in dem Bericht. Aherns Parteifreund Padraig Flynn, dem ehemaligen EU-Kommissar, bescheinigte das Tribunal dagegen eindeutig Korruption. Und auch Aherns Amtsvorgänger Albert Reynolds wird Amtsmissbrauch vorgeworfen.
300.000 neugebaute Häuser stehen leer
Darüber hinaus haben sich neben Fianna-Fáil-Lokalpolitikern auch Bezirksverordnete von der dezeitigen Regierungskoalition aus Fine Gael und Labour bestechen lassen. Lokalpolitiker haben mehr Macht als Minister, denn sie können durch ihre Unterschrift Menschen zu Millionären machen, indem sie Agrarland in Bauland umwidmen.
Und das haben sie während des Wirtschaftsbooms fleißig getan, so dass im ganzen Land Häuser gebaut wurden, die niemand brauchte. Mehr als 300.000 Stück stehen heute leer. Um die Schulden zu bezahlen, hat die Regierung drastische Sparmaßnahmen verhängt, die vor allem die unteren und mittleren Einkommenschichten betreffen. Ahern droht der Parteiausschluss, was er verschmerzen könnte.
Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, und Aherns Falschaussage unter Eid könnte durchaus mit Gefängnis bestraft werden. Eine Boulevardzeitung machte gestern mit dem Foto von Ahern, Flynn und Reynolds auf - unter der Überschrift: „Locht sie ein!“
23 Mar 2012
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