taz.de -- Kommentar Sudan: Ohne Grenzen kein Friede

Ein Fazit aus der Unabhängigkeit des Südsudans kann jetzt schon gezogen werden: Es war ein großer Fehler, die Staatsgrenzen nicht schon vorab endgültig festzulegen.

Südsudans Unabhängigkeit 2011 war ein gigantisches Freiluftexperiment. Zum ersten Mal entstanden in Afrika zwei neue Staaten aus einem alten, ohne Rekurs auf koloniale Grenzen. Das Experiment ging gut, die Welt feierte – und wendete sich anderen Problemen zu.

Weniger als ein Jahr danach stehen die beiden Teilstaaten wieder am Rande eines Krieges. Südsudans Besetzung des Ölfeldes Heglig ist nur das neueste Glied in einer langen Kette wechselseitiger Provokationen.

Mal unterstützt der Süden Rebellen im Norden. Mal wirft der Norden Bomben auf den Süden. Die Ölförderung des Südens liegt still, weil der Süden lieber gar nichts exportiert als dem Norden Transitgebühren für Pipelines zu zahlen. Das abschreckende Beispiel von Eritrea und Äthiopien sollte beiden Ländern zu denken geben. Eritrea war jahrzehntelang von Äthiopien besetzt und wurde erst nach einem Umsturz in Äthiopien unabhängig.

Doch schon nach wenigen Jahren führten beide Länder wieder verbissen Krieg gegeneinander und opferten Zehntausende Menschenleben – vordergründig in einem Kampf um unmarkierte Grenzabschnitte in der Wüste, in Wirklichkeit in einem Krieg um die regionale Vorherrschaft.

Ein endgültiger Frieden scheitert bis heute daran, dass Regelungen zum Grenzverlauf vor Ort nicht durchsetzbar sind. In beiden Ländern halten sich Autokraten unter Verweis auf den Bösewicht nebenan. Soll sich dieses Trauerspiel jetzt im Konflikt zwischen Sudan und Südsudan wiederholen?

Eine Lehre gibt es jedenfalls schon: Man muss die Grenzen eines neuen Staates detailgenau klären, bevor er gegründet wird. Der Grundstein einer friedlichen Trennung zweier Teilstaaten besteht darin, dass sie in diesem Punkt eine unwiderrufliche Einigung treffen.

17 Apr 2012

AUTOREN

Dominic Johnson

ARTIKEL ZUM THEMA

Bombenterror im Sudan: In ständiger Angst vor dem Tod

Jagdflugzeuge überfliegen fast täglich die Dörfer in den Nuba-Bergen – Omar al-Bashir will es so. Es gibt nichts mehr zu essen. Außer wilde Blätter.

Kommentar Sudan: Bashirs Insekten

Über den Umgang mit Omar Hassan al-Bashir gibt es keinen Konsens. Seine afrikanischen Amtskollegen schützen ihn. Und Europa zeigt sich diplomatisch-verzagt.

Sudan setzt auf Eskalation: „Die Sprache des Gewehres“

Die Kämpfe um die Ölregion Heglig sind vorbei, aber Sudans Präsident Bashir will mehr. Er droht, den Südsudan mit Waffengewalt zu „befreien“.

Kämpfe zwischen Sudan und Südsudan: Bomben statt verhandeln

Die Kämpfe in der Grenzregion zwischen Sudan und Südsudan dauern an. 1.200 Soldaten sollen getötet worden sein. Sudanesische Flugzeuge bombardierten die Stadt Bentiu.

Kämpfe zwischen Sudan und Südsudan: Baschir will Südsudan „befreien“

An der Grenze zwischen Sudan und Südsudan sind offenbar erneut Kämpfe ausgebrochen. Die Afrikanische Union rief den UN-Sicherheitsrat auf, sich mit dem Konflikt zu befassen.

Mobilmachung im Sudan: Am Nil fließt Blut statt Öl

Zwischen dem Sudan und seinem südlichen Nachbarn herrscht offener Krieg. Die Besetzung des Ölfeldes Heglig durch den Süden weckt Unversöhnlichkeit allerorten.

Konflikt zwischen Sudan und Südsudan: Offiziell im Krieg

Neun Monate nach der Unabhängigkeit des Südens von Sudan ist der Konflikt weiter eskaliert. Seit drei Tagen bombardiert Sudans Luftwaffe Städte im Süden.

Krieg um die sudanesischen Ölfelder: Luftangriffe und Kämpfe

In wichtigen Ölfördergebieten wird gekämpft, der Südsudan und Khartum wagen eine gefährliche Kraftprobe. Die Kämpfe machen die Bemühungen um Aussöhnung zunichte.

Proteste vor sudanesischer Botschaft: George Clooney verhaftet

Der Schauspieler wurde bei einer Protestaktion vor der Botschaft des Sudans in Washington festgenommen. Seit Jahren setzt er seinen Promi-Status für den Sudan ein.

Milizenkrieg im Südsudan: Es blieben nur Aschehaufen

Dorfvorsteher Mgoli ergriff mit seinen Polizisten die Flucht, als die Milizen kamen. In seinem ausgebrannten Dorf sind jetzt Bäume das Einzige, was noch steht.

Internationale Kritik an Khartum vergeblich: Bashir will Regierung Südsudans stürzen

Es gibt „keine militärische Lösung“. Die Reaktion von UN-Generalsekretär Ban und anderer internationaler Kritiker lässt Sudans Präsidenten Omar al Baschir vollkommen kalt.