taz.de -- Manipulierte Vogelgrippeviren: B-Waffentauglicher Missbrauch möglich
Umstrittene Studien zum H5N1-Virus sind jetzt veröffentlicht worden. Das US-Gremium für Biologische Sicherheit hatte gebeten, die brisanten Infos nicht publik zu machen.
BERLIN taz | Die umstrittenen Studien über gentechnisch manipulierte Vogelgrippeviren werden jetzt doch veröffentlicht. Nach monatelanger Diskussion über die Gefahr, dass die Forschungsergebnisse zum Bau einer B-Waffe missbraucht werden könnten, hat das Wissenschaftsmagazin Nature den Anfang gemacht und die erste der beiden Studien publiziert.
Unter der Leitung von Yoshihiro Kawaoka hatte ein US-japanisches Forscherteam an der University of Wisconsin-Madison den Erreger der Vogelgrippe, ein H5N1-Virus, so manipuliert, dass die Übertragbarkeit auf Säugetiere drastisch erhöht wird. Die Vogelgrippe grassiert seit Jahren vor allem im asiatischen Raum. Sie kann auch für Menschen tödlich sein. Ähnliche Versuche hatten Forscher unter der Leitung von Ron Fouchier in Rotterdam durchgeführt. Diese Arbeit soll demnächst im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht werden.
Vorausgegangen waren mehrere Konsultationen, unter anderem bei der WHO, über die Frage, ob die Arbeiten geheim bleiben sollen. Ausgelöst wurde der Streit vom US-Beratergremium für Biologische Sicherheit, dem NSABB. Er hatte darum gebeten, die Arbeiten nicht oder zumindest nur ohne die brisanten Informationen zu veröffentlichen.
Angst, dass ein ganzer Forschungszweig Geheimforschung wird
Die Macht, ein Publikatonsverbot durchzusetzen, hat das NSABB nicht. Science und Nature stoppten daraufhin erst einmal die Veröffentlichung. Auch bei den Wissenschaftlern wurde die NSABB-Bitte kontrovers diskutiert. Unter anderem befürchtet wurde, dass ein ganzer Forschungszweig zur Geheimforschung erklärt wird.
Erst Ende März lenkte das NSABB ein. Der Nutzen einer Veröffentlichung sei höher zu bewerten als die Risiken, heißt es nun. Vermutlich hätte es auch Ärger gegeben mit einigen asiatischen Staaten. Diese hatten schon einmal die Weitergabe von isolierten H5N1-Viren verweigert, weil sie befürchteten, dass in den westlichen Staaten patentierte Medikamente damit entwickelt werden, die sie dann später teuer bezahlen müssten.
Fraglich ist auch, ob ein Publikationsverbot durchsetzbar wäre. Der Rotterdamer Forscher Routier hat zwar jetzt auch die Erlaubnis zur Veröffentlichung von den niederländischen Behörden, aber er hat auch vorab deutlich gesagt, dass er auch ohne diese die Studie veröffentlichen würde.
4 May 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Sollte die Vogelgrippe in Niedersachsens Agrarindustrie ausbrechen, müssten Millionen Tiere getötet werden, sagen Umweltschützer. Haben Zugvögel Geflügel angesteckt?
In China sind seit Jahresanfang mindestens 20 Menschen an der Vogelgrippe gestorben. Tote gibt es auch in Mexiko: Dort ist die Schweinegrippe die Ursache.
Laborversuche lösten eine Debatte über den Missbrauch von Forschungsergebnissen aus. Der Ethikrat diskutiert über Publikationsverbote.
Die neue Vogelgrippe breitet sich weiter aus. Erstmals sind jetzt Erkrankungen aus Peking und dem Zentrum des Landes gemeldet worden.
China hat tausende Vögel gekeult. Aber das könnte gegen das Vogelgrippe-Virus H7N9 nicht reichen. Das Virus könne sich unentdeckt verbreiten, warnt die WHO.
Wissenschaftler wollen wieder mit hochinfektiöser Variante des Vogelgrippevirus H5N1 arbeiten. In einem offenen Brief erklären sie das Forschungsmoratorium für beendet.
Über 150 mit einem bisher unbekannten Erreger infizierte Robben sind in den USA gestorben. Der Virus könnte auch andere Säuger befallen.
20 Jahre ist es her, als die Krebs-Maus patentiert wurde. Sie brachte der Forschung wenig, ist aber fast so berühmt wie das Klon-Schaf Dolly.
Um sich bei riskantem Sex vor dem Virus zu schützen, werden HIV-Medikamente vorsorglich eingenommen. Für den Massen-einsatz sind die Präperate viel zu teuer.
Das Robert-Koch-Institut prüft die Übertragbarkeit des Schmallenberg-Virus auf Halter von Schafen und Rindern. Bislang sind keine Ansteckungsfälle bekannt.
In Niedersachsen grassiert das "Schmallenberg-Virus". Betroffen sind auch Schafe und Kühe in Schleswig-Holstein und Hamburg. Effektiven Schutz gibt es nicht.
Weltweit stellen Virologen die Arbeit am Vogelgrippevirus ein. Eine US-Behörde befürchtet, dass brisante Ergebnisse von Bioterroristen genutzt werden könnten.