taz.de -- Fußball-EM in der Ukraine: Merkel nicht für EU-Boykott

Setzt sie sich für einen EU-weiten politischen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine ein, falls Oppositionsführerin Timoschenko nicht freigelassen wird? Angela Merkel dementiert.
Bild: Ob Julia Timoschenko freikommt oder nicht: Angela Merkel wirbt nicht für einen EU-weiten politischen Boykott der Spiele in der Ukraine.

BERLIN dpa/dapd | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich eine Entscheidung über einen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine wegen der Behandlung der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko weiter offen. Über Reisepläne in die Ukraine werde Merkel „kurzfristig entscheiden“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert am Sonntag in Berlin.

Gleichzeitig dementierte Seibert einen Bericht des Magazins Der Spiegel, dem zufolge sich die Kanzlerin für einen gemeinsamen Boykott aller EU-Staats- und Regierungschefs einsetzt, falls die schwer kranke Timoschenko nicht freigelassen wird. „Die Bundeskanzlerin wirbt nicht für einen EU-weiten politischen Boykott der EM-Spiele in der Ukraine“, betonte ihr Sprecher.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und die anderen 26 Mitglieder haben bereits beschlossen, aus Protest gegen den Umgang mit Timoschenko nicht zu den EM-Spielen in die Ukraine zu reisen.

Die Bundesregierung hat Timoschenko eine medizinische Behandlung in Deutschland angeboten. Timoschenko, die an einem Bandscheibenvorfall leidet und zudem im Hungerstreik ist, hatte am Freitag eingewilligt, sich in der Ukraine im Beisein eines deutschen Arztes behandeln zu lassen.

Nach Informationen der Zeitung Bild am Sonntag kommt Timoschenkos Tochter Eugenia am Montag nach Berlin und will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck treffen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte dazu: „Die Bundeskanzlerin hat Eugenia Timoschenko schon einmal getroffen. Dass sie es wieder tut, ist nicht ausgeschlossen. Pläne dafür gibt es aber nicht.“

Anlass für den Besuch von Eugenia Timoschenko in Berlin ist ihre Teilnahme an der Klausurtagung der Arbeitsgruppe Menschenrechte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Deren Vorsitzende Erika Steinbach sagte der Zeitung: „Das Gespräch mit ihr wird uns vertiefte Erkenntnisse zur schwierigen Situation ihrer Mutter, aber auch anderer politischer Gefangener in der Ukraine erschließen.“

6 May 2012

TAGS

Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Tribüne
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Eurovision Song Contest

ARTIKEL ZUM THEMA

Timoschenko beendet Hungerstreik: Die Ex-Regierungschefin wird verlegt

Am Mittwoch wird Julia Timoschenko ihren Hungerstreik abbrechen. Das gab ihre Tochter in Charkiw bekannt. Ein deutscher Arzt ist zur Behandlung eingetroffen.

Ukraine sagt Jalta-Konferenz ab: Der Boykott zeigt Wirkung

Nach der Boykott-Ankündigung verschiebt die Ukraine den geplanten Präsidentengipfel. Auch Gauck hatte die Teilnahme am Treffen in dieser Woche abgesagt.

Kommentar Ukraine: Gebt Kiew eine reelle Chance!

Wenn Symbolpolitik an die Stelle politischer Entscheidungen tritt, dann wird sie zu politischer Folklore. Genau das passiert gerade im Umgang mit der Ukraine.

Debatte um die EM in der Ukraine: Wegbleiben heißt nicht Boykott

EU-Politiker wollen nicht in die Ukraine. Aber die Fußballspiele in Polen werden sie besuchen. Charité-Chef Einhäupl ist in der Ukraine, um Timoschenko zu besuchen.

Kommentar EU und Ukraine: Gut gewettet, EU!

Die geschlossene Haltung der EU ist richtig. Auch wenn es der Führung in Kiew egal ist, ob der Fischereikommissar aus Brüssel sich ein Spiel in der Ukraine ansieht.

Fußball-EM in Polen und der Ukraine: „Warum so spät?“

In Polen hält man sich mit Kritik an der Ukraine zurück. Schließlich könnte eine Verschiebung des Turniers folgen. Jetzt will gar die EU-Kommission die EM boykottieren.

Kommentar Russland und Ukraine: Wenn die Tonlage täuscht

Mit Fairness und Ritterlichkeit hat Moskau nichts am Hut. Die Kritik am ukrainischen Staatschef hat mehr mit den Interessen in „Kleinrussland“ zu tun.

Streit um Timoschenko und Fußball-EM: Ukraine, da war doch was

Wie sollen wir mit undemokratischen Regierungen umgehen, deren Länder Großereignisse ausrichten? Ein Anfang wäre der Abschied von einfachen Antworten.