taz.de -- Julia Timoschenko: Zu krank für den Prozess

Julia Timoschenko bekommt eine neue Ärztin, wieder von der Berliner Charité. Zuvor war der Prozess gegen die Oppositionsführerin verschoben worden.
Bild: Anhänger von Julia Timoschenko in Kiew.

KIEW dapd | Die ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko wird von einer neuen Ärztin aus der Berliner Charité behandelt. Am Montag wurde Dr. Anett Reichßhauer, Oberärztin der Abteilung Physikalische Medizin und Rehabilitation, im staatlichen Krankenhaus des Eisenbahners in der Ostukraine erwartet. Der Prozess gegen Timoschenko ist wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes verschoben worden.

Die Reha-Spezialistin Reichßhauer soll die Bandscheibenvorfälle der seit zehn Monaten inhaftierten früheren Ministerpräsidentin behandeln. In der vergangenen Woche hatte der Kollege Reichßhauers Lutz Harms die Politikerin aus einem Hungerstreik geführt.

Charité-Sprecherin Stefanie Winde kritisierte Teile der ukrainischen Medien. Dort werde verbreitet, dass Harms erklärt habe, wichtige Unterlagen der Krankenakte Timoschenkos seien gestohlen worden. „Die Unterlagen sind vollständig, Behauptungen, wonach wichtige Papiere fehlen, entsprechen nicht der Realität“, sagte Winde.

Ein Gericht in Charkiw verschob am Montag einen zweiten Prozess gegen Timoschenko um mutmaßliche Steuerhinterziehung wegen des schlechten Gesundheitszustandes der Angeklagten auf den 25. Juni. Der Prozess war Ende April eröffnet worden. „Was Präsident Viktor Janukowitsch mit Timoschenko plant, hat er bis heute niemanden gesagt“, sagte Anwalt Sergej Wlasenko. Die Verteidigung befürchtet, die ukrainische Regierung wolle im Fall Timoschenko auf Zeit spielen und eine Entscheidung erst nach der Fußballeuropameisterschaft EURO 2012 treffen.

Timoschenko wurde im Oktober 2011 zu einer siebenjährigen Haftstrafe wegen Machtmissbrauchs während ihrer Zeit als Regierungschefin verurteilt. Die EU und die USA haben den Prozess und das Urteil als politisch motiviert kritisiert.

21 May 2012

TAGS

Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Eurovision Song Contest

ARTIKEL ZUM THEMA

Lesbische Fußballerinnen in der Ukraine: Der Club der Geächteten

Im EM-Land Ukraine haben 40 Frauen einen Fußballverein gegründet. Dass sie lesbisch sind, verschweigen sie. Ihr Turnier? Findet im Geheimen statt.

Justiz in der Ukraine: Timoschenko ins Krankenhaus verlegt

Die ehemalige ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko ist in ein Krankenhaus verlegt worden. Dort soll sie von dem deutschen Arzt Lutz Harms behandelt werden.

Kommentar Ukraine: Gebt Kiew eine reelle Chance!

Wenn Symbolpolitik an die Stelle politischer Entscheidungen tritt, dann wird sie zu politischer Folklore. Genau das passiert gerade im Umgang mit der Ukraine.

Kommentar EU und Ukraine: Gut gewettet, EU!

Die geschlossene Haltung der EU ist richtig. Auch wenn es der Führung in Kiew egal ist, ob der Fischereikommissar aus Brüssel sich ein Spiel in der Ukraine ansieht.

Kommentar Russland und Ukraine: Wenn die Tonlage täuscht

Mit Fairness und Ritterlichkeit hat Moskau nichts am Hut. Die Kritik am ukrainischen Staatschef hat mehr mit den Interessen in „Kleinrussland“ zu tun.

Streit um Timoschenko und Fußball-EM: Ukraine, da war doch was

Wie sollen wir mit undemokratischen Regierungen umgehen, deren Länder Großereignisse ausrichten? Ein Anfang wäre der Abschied von einfachen Antworten.