taz.de -- Kein Ende des Machtkampfes in Mali: Präsident im Palast halb tot geprügelt
Anhänger der Militärs, die im März geputscht hatten, gehen mit Gewalt gegen den durch westafrikanische Vermittlung eingesetzten Interimspräsidenten Dioncounda Traoré vor.
BERLIN taz | Zwei Monate nach dem Militärputsch in Mali ist immer noch keine Lösung des Machtkampfes in Sicht. Junge Demonstranten stürmten am Montag in Bamako den Präsidentenpalast, in dem Interimspräsident Dioncounda Traoré residiert, und verprügelten den 70-Jährigen bis zur Bewusstlosigkeit.
Traoré wurde in ein Krankenhaus gebracht, die erst am Wochenende bestätigte Übergangsordnung für Mali liegt in Trümmern.
In Mali hatten unzufriedene Soldaten unter Kapitän Amadou Sanogo am 22. März den gewählten Präsidenten Amadou Toumani Touré gestürzt. Sie warfen ihm Untätigkeit im Kampf gegen Tuareg-Rebellen im Norden des Landes vor.
Die Rebellen eroberten im Gegenzug die Nordhälfte Malis und riefen den eigenen Staat Azawad aus. Westafrikas Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) bewog die Putschisten schließlich per Sanktionen zum Rückzug zugunsten einer Übergangsregierung unter Diancounda Traoré. Der übernahm sein Amt am 12. April zunächst für 40 Tage.
Doch da angesichts der Spaltung Malis keine Neuwahlen möglich sind und auch die Ecowas ihre mehrfach angekündigte Militärintervention nicht in die Tat umsetzt, haben diese 40 Tage keine Lösung gebracht.
Also vereinbarten Ecowas-Unterhändler am Wochenende mit Malis Militärs die Verlängerung von Traorés Übergangsmandat um ein Jahr. Putschist Sanogo, der sich Hoffnungen auf eine Rückkehr an die Macht nach dem Ablauf der 40 Tage gemacht hatte, stimmte zu.
In den Präsidentenpalast eingedrungen
Doch die Zustimmung war offenbar wenig wert. Anhänger der Putschisten gingen ab Montag früh auf die Straße. Dass sie widerstandslos in den festungsartig gesicherten Präsidentenpalast eindringen konnten, spricht dafür, dass die dort stationierten Militärs mit den Demonstranten sympathisierten.
Schon am Wochenende hatten die Ecowas-Vermittler vermerkt, dass die Militärs um Sanogo misstrauischer aufzutreten schienen als sonst.
Traorés Familie ist jetzt nach Senegal geflohen, während Interimspremier Cheik Modibo Diarra im Fernsehen schimpfte: „Wenn wir so weitermachen, stürzt das Land ins Chaos.“ Aus Sicht der Nachbarn ist Mali da schon längst.
22 May 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die radikalen Islamisten in Mali haben mit dem Freiheitskampf der Tuareg nichts am Hut. Die Tuareg-Rebellen sind jetzt von ihren einstigen Verbündeten selbst verdrängt worden.
Tuareg-Rebellen und Islamisten beraten über eine gemeinsame Regierung für ihren neuen Staat „Azawad“ in Nordmali. Aber der Umgang mit al-Qaida spaltet die Geister.
Der Staat Azawad, den Rebellen in Mali ausgerufen haben, begeistert geflohene Tuareg in Burkina Faso. Nicht aber die Nachbarn. Ein Besuch bei Tuareg-Flüchtlingen.
Der korsische Europaabgeordnete François Alfonsi wendet sich gegen eine militärische Lösung des Konflikts in Mali. Die Forderungen der Tuareg sind legitim, sagt er.
Mehr als zwei Dutzend Menschen sollen bei Gefechten zwischen den Putschisten und der alten Präsidentengarde in Mali getötet worden sein. Freie Wahlen scheinen illusorisch.
Hunderttausende sind inner- und außerhalb des Landes vor dem Bürgerkrieg auf der Flucht. Das verschärft die ohnehin schwierige Versorgungslage.
Ein Arzt aus Malis Hauptstadt Bamako berichtet über eine Reise in sein Dorf, das im Gebiet der Tuareg-Rebellen liegt. Was er unterwegs sieht, erschrickt und bedrückt ihn.
Die Berichte aus dem von Tuareg-Rebellen ausgerufenen Wüstenstaat zeugen von islamistischen Übergriffen. Auch die Versorgungslage scheint schlecht zu sein.
Auch nach dem Staatsstreich in Mali wird sich der Norden missachtet fühlen. Denn nach einem sinnvollen Zeitplan und nachhaltigen Lösungen sucht niemand.