taz.de -- Kommentar Übernahme Hess-Natur: Kaufen und kontrollieren
Wird Hess-Natur von Capvis gekauft, ist die Vorzeigemarke in Zukunft genau zu beobachten. Die Nachhaltigkeit darf nicht unter einer möglichen Gewinnoptimierung leiden.
Dass wohl eine Beteiligungsgesellschaft (Heuschrecke!) den Ökoversand Hess-Natur kaufen wird, ist nicht schön. Zumal die Alternative zur Schweizer Gesellschaft Capvis eine Genossenschaft ist, getragen von Beschäftigten und Kunden. Fraglos ist die Selbstverwaltung von Betrieben eine Unternehmensform mit Zukunft. Sie ermöglicht ein Wirtschaften, das sich an langfristigen, nachhaltigen Zielen orientiert und nicht am schnellen Gewinn.
Kommt Capvis zum Zuge, haben Organisationen wie die Kampagne für Saubere Kleidung oder Greenpeace, natürlich auch die Kunden, einen klaren Auftrag: Sie müssen Hess-Natur akribisch auf die Finger schauen und kontrollieren, ob die sozialen und ökologischen Standards weiter eingehalten werden. Denn auf die kommt es an.
Die Herstellungsbedingungen der globalen Bekleidungsindustrie sind grauenhaft. Näherinnen werden ausgebeutet. Giftige Farben und Waschmittel verseuchen das Wasser in Produktionsländern wie China oder Bangladesch. Der intensive Anbau von – überwiegend gentechnisch veränderter – Baumwolle versalzt fruchtbare Ackerböden, wenn nicht gleich Kunstfasern auf Erdölbasis benutzt werden, die später als Plastikmüll die Meere verschmutzen.
Die sozialen und ökologischen Probleme sind so riesig, dass ein Boykott gegen eine Firma, die alternativ hergestellte Kleidung anbietet, nicht zu rechtfertigen ist. Vor allem, weil Capvis im Ruf steht, mit seinen Unternehmen zwar vor allem viel Geld verdienen zu wollen, für ihre Geschäftsmodelle aber durchaus Verständnis hat.
Anders gesagt: Die Schweizer wären schön blöd, wenn sie die Umwelt- und Sozialstandards von Hess-Natur senken würden, denn die garantieren den Erfolg der Firma. Es gibt allerdings keinen Grund, darauf zu vertrauen. Wachsamkeit ist angebracht.
5 Jun 2012
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