taz.de -- Deutschland schlägt Portugal: Glück und Gomez

Deutschland tat sich sehr schwer, siegte letztlich glücklich. Dennoch wird dieser Sieg der Mannschaft moralisch helfen. Und sie wird sich weiter steigern.
Bild: Mario Gomez. Ein einziger genialer Moment von ihm reichte gegen Portugal.

So lief das Spiel: In der ersten Halbzeit versuchte es Deutschland mit seiner alten, eigentlich überwunden geglaubten Einlull-Taktik: Deutschland hatte mehr Ballbesitz, aber wenig Tempo im Spiel nach vorn – und das, obwohl phasenweise der Platz dazu da gewesen wäre.

Ergebnis war die eine oder andere Halbchance, bis Gomez den Ball in der 23. Minute im portugiesischen Tor versenkte – allerdings hatte Schiedsrichter Lannoy zuvor abgepfiffen und Deutschland so um einen Vorteil gebracht. Den Höhepunkt der ersten Halbzeit aber setzten die Portugiesen kurz vor der Pause. Pepe kam nach einer Ecke im Strafraum frei zum Schuss und zirkelte den Ball gekonnt Richtung Dreiangel – aber der Ball prallte an die Unterkante der Latte und dann vom Boden vor der Linie ins Spielfeld zurück.

In der zweiten Hälfte ein ähnliches Bild: Deutschland versuchte jetzt mehr zu drücken, vor allem über die rechte Seite durch Müller. Zählbares sprang dabei aber zunächst nicht heraus. Dafür waren die Portugiesen immer gefährlich, wenn lange Bälle auf die quirligen Nani und Ronaldo ankamen. Allerdings fehlte den Portugiesen die letzte Konzentration beim Abschluss.

Der Moment des Spiels: 72. Minute. Eine abgefälschte Flanke aus dem rechten Halbfeld von Khedira landete zufällig auf Gomez' Kopf, und der drückte den Ball gekonnt gegen die Laufrichtung des Torhüters ins lange Eck. Danach erhöhte Portugal noch einmal den Druck und hatte mehrere gute Chancen zum Ausgleich. Die größte vergab Varela in der 87. Minute, als er 6 Meter vorm Tor frei zum Abschluss kam, aber am herausstürzenden deutschen Torwart Neuer scheiterte.

Der Spieler des Spiels: Mario Gomez, Schütze des einzigen Tores.

Die Pfeife des Spiels: Schiedsrichter Lannoy hatte das Spiel im Griff und lag zumeist in seinen Entscheidungen richtig – nur einmal pfiff er Foul für Deutschland, obwohl Deutschland vorteilhaft im Vorwärtsgang war und Gomez sogar ein Tor erzielte. Den Freistoß versenkte Podolski dann in der Mauer.

Die Schlussfolgerung: Deutschland tat sich sehr schwer, siegte letztlich glücklich. Dennoch wird dieser Sieg der Truppe moralisch helfen – und sie wird sich weiter steigern. Der Nimbus der Turniermannschaft wird eine Art selbsterfüllender Prophezeiung. Portugal spielte gut – scheiterte letztlich aber an der fehlenden Konsequenz im Abschluss.

Und sonst? Die deutschen Fans haben eine neue Variante der psychologischen Störung der gegnerischen Mannschaft erfunden: Keine Pyros, keine Feuerzeuge wurden geworfen – sondern zusammengeknüllte Papierposter. Die tun nicht weh, nerven aber den portugiesischen Spieler, der einen Eckstoß ausführen will, ganz ungemein. „Not sportsmanlike“, befand der Stadionsprecher.

9 Jun 2012

AUTOREN

Richard Rother
Richard Rother

TAGS

Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
Mixed Zone

ARTIKEL ZUM THEMA

Die deutsche Stürmerfrage: Drei für ganz vorne

Das Spielsystem von Joachim Löw lässt nur einen Angreifer zu. Aber wer ist der richtige Mann dafür? Gomez, Klose oder doch Reus?

Kolumne Aufm Platz: Alphatiere gegen Oranje

Sieben Bayern-Spieler stehen voraussichtlich in der Startelf gegen die Niederlande. Diese Blockbildung muss nicht von Vorteil sein. Sie widerspricht der Spielidee des Bundestrainers.

Frankreich - England 1:1: Zu viel Esoterik

Die Werbung einer Supermarktkette war spannender als das erste Vorrundenspiel der Gruppe D. Nasri war der beste Mann auf dem Platz und Rooney nicht da.

Die deutsche Abwehr bei der Fußball-EM: Schön war das nicht

Er ist der Neue: Der Dortmunder Verteidiger Mats Hummels hat großen Anteil daran, dass im Auftaktspiel wenigstens die Defensive hielt. Kritik gibt es trotzdem.

Diskussion nach dem Deutschlandspiel: Ein Gomez bleibt ein Gomez

War das 1:0 gegen Portugal ein holpriger Auftakt? Quatsch. So ist Fußball. Sind zu viele Bayern im Team? Muss Gomez raus? Auch Quatsch. Er ist eine Fachkraft.

Deutschland nach dem ersten Spiel: Die erträgliche Schwere des Seins

Die Voraussetzungen für die Deutschen gegen Portugal waren alles andere als leicht. Sie gingen mit harter Fußballmaloche dagegen an. Und waren danach geschafft.

EM-Ticker Deutschland-Portugal: Unverdient, aber gewonnen

Diesmal bereitete nicht die Abwehr, sondern die deutsche Offensive Kopfschmerzen. Ein genialer Moment von Gomez reicht, um die Portugiesen um das Unentschieden zu bringen.

Überraschung in der EM-Gruppe B: Dänen clever, Holländer doof

Robben & Co. scheitern trotz eines Offensivfeuerwerks an einem solide verteidigenden dänischen Abwehrblock. Die Dänen siegen nicht unverdient mit 1:0.

Kolumne Ostwärts Immer: Vierbeinige Überlebende

Das Zählen der Straßenhunde fällt schwer. Die systematische Ausrottung der räudigen Streuner ist offensichtlich nicht zu Ende gebracht worden.

Geschichte der Europameisterschaft: Deutsche Tugend, deutsche Sehnsucht

Netzer 1972, Vogts 1996, Löw 2012: Erst wenn Deutschland nicht Europameister wird, wird man wissen, ob das deutsche Fußballpublikum auf der Höhe seines Teams ist.

Kommentar Deutsche Nationalmannschaft: Den Druck müssen sie jetzt aushalten

Der deutsche Fußball ist auf dem konjunkturellen Höhepunkt. Die Fallhöhe für die Spieler ist also hoch.