taz.de -- Kommentar Ruanda und Kongo: Nicht nur reine Propaganda

Ruandas Intervention im Kongo wird international kritisiert. Die Gefährdung von ruandophonen Minderheiten im Kongo jedoch ist keine reine Erfindung.
Bild: Mitglieder der kongolesischen Regierungsarmee.

Es ist kein Krieg der Worte mehr, der sich zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda abspielt: Es ist ein Krieg mit scharfen Waffen. Der heftig umstrittene UN-Bericht beweist: Ruanda ist – mal wieder – in den Ostkongo einmarschiert.

Geplant wurde diese Operation von langer Hand, von Verteidigungsminister James Kaberebe und Stabschef Charles Kayongo, also von „ganz oben“. Kein Wunder, dass jetzt die ganze Welt mit dem Finger auf Ruanda zeigt. Doch so einfach ist es nicht.

Die derzeitige Krise im Ostkongo ist hausgemacht und bahnte sich seit Monaten an: Die rigorosen Wahlfälschungen im November 2011 haben gezeigt, dass sich mit Wahlen keine Veränderungen herbeiführen lassen. Dann dauerte es fast ein halbes Jahr, bis eine neue Regierung vereidigt und ein Staatshaushalt aufgesetzt wurden.

Der Zustand der Armee, die derzeit im Ostkongo zerbröselt, spiegelt den Zustand des ganzen Staates wider. Hinzu kommt die Mobilmachung durch antiruandische Hetze seitens der Opposition gegen Präsident Joseph Kabila: Er sei Ruander und von Ruanda installiert worden, den Kongo zu beherrschen. So ungefähr war der Tenor des Oppositionswahlkampfs. Die Folge: Bewaffnete Gruppen haben sich im Dschungel mobilisieren lassen, mit Macheten und Waffen gegen die ruandischen Minderheiten vorzugehen.

Wenn Ruandas Staatszeitung derzeit von „gefährdeten“ Menschen im Ostkongo redet, dann ist das nicht nur reine Propaganda, um eine Invasion zu rechtfertigen, sondern gefühlte Wirklichkeit.

Im ruandischen Kontext – berücksichtigt man das Trauma des Genozids 1994 – läuten in Kigali alle Alarmglocken. Das wissen die Eliten der ruandophonen Minderheiten im Ostkongo auszunutzen – allen voran Bosco Ntaganda, der mit einem geschickten Streich einer Überstellung nach Den Haag entkommen konnte.

28 Jun 2012

AUTOREN

Simone Schlindwein

TAGS

Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Rebellenarmee vertreibt Regierungstruppen: Kongos Armee auf der Flucht

Die M23-Rebellen haben im Osten der Demokratischen Republik Kongo mit einer Großoffensive begonnen. Tausende Zivilisten und Soldaten fliehen nach Uganda.

Flüchtlinge im Kongo: Energiekekse am Kivu-See

Wenn die UN-Helfer nach Minova kommen, stoßen sie auf ausgehungerte Überlebende von Massakern aus Kongos neuestem Krieg. Ortstermin in einem Vertriebenenlager.

UN-Waffenhandelsvertrag: Unsichere Chancen

In New York beginnen die 193 UN-Mitgliedstaaten die Verhandlungen über den internationalen „Arms Trade Treaty“. Er kann an vielen offenen Streitfragen scheitern.

Krieg im Ostkongo: Ruanda mischt auf beiden Seiten mit

Ruanda unterstützt im Ostkongo nicht nur die Rebellen, sondern auch noch die Regierung. Dies erklärt auch, warum die Regierung Kongos gegenüber Ruanda so zurückhaltend ist.

Konflikt im Ostkongo: UN-Bericht belastet Ruanda

Ein bisher unveröffentlichter Anhang eines UN-Berichts beweist, dass das ruandische Militär kongolesische Rebellen im Kampf gegen die Armee unterstützt hat. Ruanda streitet ab.

Neue Rebellenarmee im Kongo: Hutu-Rekruten für Tutsi-Rebellen

Die neue ostkongolesische Rebellenarmee M23 erhält Zulauf aus Ruanda. Vor allem von demobilisierten einstigen Hutu-Milizionären. Die werden sogar gezielt angeworben.

Krieg im Ostkongo: Gestrandet auf Lavasteinen

Ein Land zerbröselt: Täglich landen neue Flüchtlinge in Ostkongos Lagern, täglich laufen neue Soldaten zur jungen M23-Rebellion über. Und im Dschungel wüten Milizen.