taz.de -- Kommentar Gift im Essen: Auch legal ist gefährlich

Auf konventionell angebauter Paprika sind ganz legal Gifte, die man lieber nicht mitessen würde. Und zwar deutlich mehr als auf ökologisch angebautem Rucola.
Bild: Ein brasilianischer Biobauer hält einen Brokkoli-Setzling

Nun also auch der Rucola. Ein Biobauer hat entdeckt, dass in einem zugelassenen Pflanzenstärkungsmittel eine nicht erlaubte Substanz enthalten ist, das zuständige Amt sprach umgehend ein Verbot aus, und vermutlich müssen nun ganze Ernten behandelten Rucolas, anderer Salatsorten, Kräuter, womöglich auch Tomaten vernichtet werden.

Für einige Landwirte ist das existenzbedrohend und für sensible Verbraucher ein Anlass mehr, sich vor einem Lebensmittel schrecklich zu fürchten.

Dabei trifft die Bauern im aktuellen Fall keine Schuld. Es ist nicht wie bei Antibiotika, die in der konventionellen Tierhaltung ganz bewusst an Mastgeflügel verfüttert werden.

Nicht wie bei Dioxin. Hier gefährdet Fahrlässigkeit die Verbraucher, und nur regelmäßige Kontrollen und eine schnelle und transparente Informationspolitik verhindern, dass belastete Eier verzehrt werden.

Das gerade aus dem Verkehr gezogene Produkt war auch für den ökologischen Landbau zugelassen. Warum es einen Wirkstoff enthält, der da nicht drin sein darf und wohl zum Zeitpunkt der Zulassung auch nicht drin war, ist immer noch unklar.

Bezeichnend ist, dass es ein Biobauer war, der auf die unerlaubte Substanz stieß – bei einer Eigenkontrolle. Keine Behörde, kein konventioneller Landwirt, nicht das Unternehmen, das Flüssigkeit und Pulver in Deutschland vertreibt.

Doch wer sich nun mit dem Verzicht auf Blattgrün auf der sicheren Seite wähnt, irrt. Nicht nur, weil die Zulassung einer Substanz eine Sache ist, ihre Gefährlichkeit aber eine andere und sich nicht immer vom einen auf das andere schließen lässt.

Sondern auch, weil auf jeder konventionell angebauten Paprika ganz legal Gifte sind, die man lieber nicht mitessen würde. Und zwar deutlich mehr als auf ökologisch angebautem Rucola.

3 Jul 2012

AUTOREN

Svenja Bergt
Svenja Bergt

TAGS

Bio-Lebensmittel

ARTIKEL ZUM THEMA

Richtungswechsel in Brasilien: Biobauern in Gefahr

Der konventionelle Anbau hat sich mit Unterstützung der Regierung rasant ausgebreitet. Ökobauern haben keine Lobby, um ihre Felder zu schützen.

Antibiotikaeinsatz kaum reduziert: Aigners lahme Gesetzesnovelle

Der Entwurf für ein neues Arzneimittelgesetz taugt nichts. Umweltverbände kritisieren, dass der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung wegen Aigners Initiative nicht sinke.

Niedersachsen und NRW betroffen: Dioxinbelastete Eier entdeckt

Es ist schon wieder passiert. In Nordrhein-Westfalen wurden mit Dioxin belastete Eier gefunden. Auch ein Legehennenbetrieb in Ostfriesland ist gesperrt worden.

Ökoprodukte mit Chemikalie belastet: Desinfektionsmittel im Salat

Der Wirkstoff DDAC ist in Nahrungsmitteln verboten. Er stammt aus einem Pflanzenstärkungsmittel, das von konventionellen und Biobauern verwendet wird.

Klage wegen Pestiziden in Argentinien: Die Mütter und das Gift der Felder

Der Einsatz von Pflanzengift in Ituzaingó im Norden Argentiniens macht die Bewohner des Dorfes krank. Erstmals stehen deshalb Sojaproduzenten vor Gericht.

Umweltfreundliche Alternative zu Herbiziden: Laserstrahlen bekämpfen Unkraut

Eine Kamera erkennt aufsprießendes Unkraut und vernichtet es per Laserstrahl. Dieses System wird von Wissenschaftlern in Hannover getestet. Aber es gibt noch einige Probleme.

Gesunde Boombranche: Der Inder steht auf Bio

Reiche Inder verlangen erstmals vermehrt nach Bioprodukten. Der schonende Anbau ist aber auch ohne Biolabel für viele Bauern die einzige Überlebenschance.

Chemiekonzern Bayer: Langer Abschied vom Pflanzengift

Bayer will bis 2012 alle Pestizide der höchsten Gefahrenklasse vom Markt nehmen. Für Umweltschützer kommt diese Maßnahme deutlich zu spät.