taz.de -- Kommentar Rumäniens Präsident: Europas einäugige Reaktionen
Die Sozialdemokraten in Europa unterstüzen Rumäniens Ministerpräsidenten, die Konservativen den Präsidenten. Und beide Seiten schätzen die Lage falsch ein.
Die Vorwürfe, mit denen sich in Rumänien das Lager des Präsidenten Traian Basescu und das der Regierung Victor Pontas überschütten, ähneln einander: Amtsmissbrauch, Vetternwirtschaft, Überschreitung der Machtbefugnisse, Missachtung der Verfassung. Der Katalog ist lang, Beispiele für den jeweiligen Vorwurf lassen sich auf beiden Seiten finden.
Und wie reagiert Europa? Der sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnet den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Rumäniens als seinen Freund. Trotz massiver Plagiatsvorwürfe, trotz trickreicher Gesetzesänderungen, die auf die Ausschaltung politischer Gegner abzielen. Das konservative Lager bietet Basescu uneingeschränkt Schützenhilfe.
Dabei wird vergessen, dass die Partei des Präsidenten zuerst Mitglied der Sozialistischen Internationale war, um dann eine 180-Grad-Wendung zu vollziehen, die ihr den Weg für die Aufnahme in die Familie der Europäischen Volksparteien ermöglichte. Die Konservativen in der EU sind nun plötzlich äußerst besorgt, sprechen sogar von einem „Staatsstreich“.
Beide Seiten lassen dabei eines unter den Tisch fallen: Alle Parteien, die seit der Wende in Rumänien an der Macht waren, haben sich nur um die eigenen Pfründen geschert und die eigenen Interessen verfolgt. Solidarität oder soziale Marktwirtschaft waren den Regierenden in Bukarest stets verpönte Fremdwörter. Europa hat weggesehen und lieber geschwiegen.
So unhaltbar die Situation in Rumänien derzeit ist, so falsch sind die Einschätzungen der aktuellen Lage durch die Akteure auf der europäischen Bühne. Je nach politischer Couleur scheinen alle auf einem Auge blind zu sein, wenn es darum geht, das Bukarester Politdrama in seiner wahren Dimension darzustellen.
9 Jul 2012
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