taz.de -- Kommentar Occupy-Camp: Politische Torheit

Die Aufforderung, das Camp zu räumen, ist mindestens unklug. Wer damit unter Druck gerät, ist der Bürgermeister selbst. Wer die Lippen spitzt, muss auch pfeifen können.
Bild: Gehören mittlerweile schon zum Stadtbild dazu: Die Schilder und Zelte des Occupy-Camps in der Innenstadt.

Da schießt aber jemand gewaltig übers Ziel hinaus. Die briefliche Aufforderung des amtierenden Kieler Stadtchefs Peter Todeskino an die Occupy-Aktivisten, ihr Camp zu räumen, ist mindestens politisch unklug. Denn der Einzige, der damit unter Druck gerät, ist der Briefeschreiber selbst. Wer die Lippen spitzt, muss auch pfeifen können.

Es war doch vorhersehbar, dass die Campierer nicht ihre Sachen packen werden. Ihre Klarstellung, sich in einem Akt zivilen Ungehorsams räumen zu lassen, war zu erwarten. Und dann muss der grüne Bürgermeister die Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker trotz Sitzblockaden von Sympathisierenden und unter den Kameras nicht nur norddeutscher Medien von der Polizei wegtragen lassen.

Das sind Bilder, die niemand braucht, das ist ein Vorgehen, dass niemandem nützt. Hier wird ein Konflikt provoziert, der mit besonnenem Handeln nicht entstanden wäre. Wenn das Areal nachweisbar für andere Zwecke benötigt wird, sollten hinter den Kulissen Gespräche über eine Ersatzfläche geführt werden.

Wenn in Hamburg Bauwagenplätze weitgehend konfliktfrei umgesiedelt werden können, sollte das in Kiel mit ein paar Zelten auch möglich sein. Und ein von beiden Seiten akzeptierter Moderator wäre auch zu finden.

So aber gibt es Druck, der Gegendruck erzeugt. Das wäre vermeidbar gewesen. Nun muss Todeskino sehen, wie er seine politische Torheit wieder löst.

17 Jul 2012

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Sven-Michael Veit

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Schwerpunkt Occupy-Bewegung

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