taz.de -- Alamierende Nachrichten aus Athen: Das schwarz-gelbe Unbehagen wächst

Der Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler ist mehr als skeptisch, ob Griechenland in der Eurozone bleiben kann. Er ist längst nicht mehr der einzige Zweifler.
Bild: Noch wehen die beiden Flaggen auf dem Athener Finanzministerium Seit an Seit.

BERLIN taz | Philipp Rösler überrascht seine Kabinettsmitglieder gern mal mit Überlegungen zu Griechenland. Schon im September 2011 brachte er in einem Meinungsbeitrag eine „geordnete Insolvenz“ Griechenlands ins Spiel, die notfalls möglich sein müsse.

Ein Gedankengang, der die Märkte in helle Aufregung versetzte – und dem Wirtschaftsminister und FDP-Chef damals einen Rüffel der Kanzlerin einbrachte.

Nun hat Rösler es wieder getan. Nur dass er dieses Mal noch weitergeht. Er sei „mehr als skeptisch“, was Griechenlands Verbleib in der Eurozone angehe, sagte er im ZDF. Ein Austritt habe für die FDP und für ihn „längst seinen Schrecken verloren“.

Diese Prognose widerspricht der offiziellen Linie der Regierung fundamental. Führende Koalitionsstrategen, Kanzlerin Angela Merkel vorneweg, warnten immer wieder vor einem Austritt Athens.

Er könne zum Auseinanderbrechen der Eurozone führen, so das Argument, weil panische Investoren sofort die Zinsen für Spanien und andere Staaten hochtreiben würden.

Griechenland-Verteidiger schweigen

Insofern ist zunächst einmal interessant, dass Röslers Worte keinen offenen Widerspruch mehr in der schwarz-gelben Koalition provozierten. Anders als vor einem Jahr herrscht – nur zum Teil der Sommerpause geschuldete – Stille bei den Griechenland-Verteidigern. Zu alarmierend sind die Nachrichten aus Athen.

Die griechische Regierung hatte darum geben, die Fristen für das Sparprogramm zu verlängern; sonst rutsche der Staat immer tiefer in die Rezession.

Laut Süddeutscher Zeitung klafft im Athener Sanierungsprogramm erneut ein Loch in zweistelliger Milliardenhöhe. Grund: Während des Dauerwahlkampfs im Frühjahr seien fast alle Reformvorhaben liegen geblieben.

Kein drittes Paket für Griechenland

Entsprechend wächst die Skepsis in der Koalition, Rösler ist längst nicht mehr der einzige Zweifler. „Diese Koalition wird mit Sicherheit kein drittes Griechenland-Paket beschließen“, sagt etwa ein mit der Materie vertrauter Koalitionsabgeordneter.

Im Moment wird das zweite Hilfsprogramm ausgezahlt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte im Interview mit der Bild zwar, man dürfe einem Bericht der Troika nicht vorgreifen. Er signalisiert aber, dass er zu weiteren Zugeständnissen kaum bereit ist.

„Wenn es Verzögerungen gegeben hat, muss Griechenland diese aufholen.“ Die Troika prüft derzeit den Stand in Athen, ihr Bericht soll Anfang September vorliegen. Dann wird sich zeigen, ob Rösler recht behält.

23 Jul 2012

AUTOREN

Ulrich Schulte

ARTIKEL ZUM THEMA

Neues Sparpaket in Griechenland: Unruhen befürchtet

Die griechische Regierung will bei Renten und Löhnen 11,5 Milliarden Euro sparen. Die Geldgeber könnte das beruhigen. Die Opposition kündigt hingegen Protest an.

Schuldenkrise in Spanien: Mehr Geld ist nötig

Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen in Spanien haben besorgniserregende Höhen erreicht. Zugleich meldet mit Katalonien schon die dritte Region Finanzprobleme.

Debatte Eurokrise in Griechenland: Rettung aus Eigennutz

Die Konservativen verstehen es nicht: Sie wollen, dass Griechenland pleitegeht. Das aber hätte Folgen, die gerade CDU und FDP fürchten.

Europäische Finanzkrise: Brüssel ist sauer auf Rösler

Spekulationen über den Austritt Griechenlands aus der Eurozone helfen niemandem, meinen EU-Funktionäre. Die von einem Minister verbreiteten Gerüchte werden zurückgewiesen.

Reichensteuern in Europa: Reiche unter Druck

Wer mehr Geld hat, soll auch mehr für die Krise bezahlen. In Deutschland könnte eine Vermögensabgabe rund 230 Milliarden Euro einbringen.

Griechenland droht Bankrott: Die Pleite kommt immer näher

Der IWF will Athen kein Geld mehr geben, die Eurozone ist auf einen Austritt schlecht vorbereitet. Im September droht Griechenland die Pleite.

Rettungspaket für Spanien: Milliarden für die Banken

Die EU-Finanzminister segnen die Hilfe für Spaniens Geldinstitute ab, jetzt können bis zu 100 Milliarden Euro fließen. Nun droht dem Staat der Kollaps.