taz.de -- Alternativer Treibstoff: Flüssiggas soll Schifffahrt säubern
Norddeutsche Häfen wollen Bunker-Infrastruktur für Flüssiggas aufbauen. Dieses verspricht super Abgaswerte, ist aber für das Weltklima nicht ohne Tücken.
HAMBURG taz | Die Elbehäfen Hamburg und Brunsbüttel bereiten sich auf eine Revolution im Schiffsbetrieb vor. Sie wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Schiffe, die mit verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas / LNG) statt mit Schweröl angetrieben werden, bei ihnen bunkern können. Dafür müssen Erdgasspeicher und Bunkerstationen – „Schiffstankstellen“ – errichtet werden. „Unser Ziel ist es, einen Rahmen dafür zu schaffen, dass ein Betreiber die nötige Infrastruktur aufbauen kann“, sagt Lutz Birke von der Hamburger Hafenbehörde (Hamburg Port Authority / HPA). Der neue Treibstoff ist viel sauberer als Schweröl, lässt aber in puncto Klimaschutz noch zu wünschen übrig.
Flüssiggas ist eine Möglichkeit, auf die verschärften Umweltauflagen zu reagieren, die ab 2015 für die Schifffahrt in der Nord- und Ostsee gelten. Ab dann darf der Schiffstreibstoff nur noch ein Zehntel der heutigen Schwefelmenge enthalten. Mit LNG ließe sich das sofort erreichen – und noch mehr: Ein mit Flüssiggas betriebenes Schiff stößt weniger Kohlendioxid (CO2) aus als ein mit Schweröl betriebenes, sehr viel weniger Stickoxide sowie nahezu keinen Schwefel und Ruß (Feinstaub).
Angesichts des starken Verkehrs auf den beiden Meeren wäre die Umstellung auf LNG für die Bevölkerung der dicht besiedelten Küsten ein Segen. Ein Gutteil des Feinstaubs in der Hamburger Luft entstammt Schiffsabgasen. Und aus den Schiffsschornsteinen kommen mehr Stickoxide, unter denen die Hamburger leiden, als aus den Auspufftöpfen der Autos.
Diese Belastung kann auf verschiedenen Wegen verringert werden: Die Schiffe könnten mit leichtem aber teurem Marinedieselöl fahren; sie könnten langsam fahren, Filter nutzen und im Hafen Strom von Land beziehen, statt ihn qualmend mit eigenen Aggregaten zu erzeugen. In einem Vergleich mit diesen Varianten schneidet LNG gut ab: „Als Schiffskraftstoff bietet Flüssigerdgas sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile“, stellt die die Zertifizierungsgesellschaft Germanischer Lloyd – eine Art Schiffs-TÜV – fest. Wahrscheinlich werde LNG auf absehbare Zeit günstiger sein als Marinedieselöl.
In Brunsbüttel, am Eingang zum Nord-Ostsee-Kanal, können Schiffe heute schon Flüssiggas bunkern – allerdings von Lastwagen aus. Ende Mai gab die Hafengesellschaft bekannt, dass sie die Zertifizierungsgesellschaft DNV mit der Risikostudie für eine fest installierte Bunkerstation beauftragt hat. Die Hamburger Hafenbehörde kooperiert mit dem Germanischen Lloyd und einschlägigen Unternehmen wie Linde, um bis 2015 eine Bunkerstation auf die Beine zu stellen.
Auf Kritik stößt das Vorhaben von unerwarteter Seite: Beim Verbrennen von Flüssigerdgas werde der Klimakiller Methan freigesetzt, warnt der Naturschutzbund (Nabu). Zwar seien die Abgase aus LNG sauberer als diejenigen von Schiffsdiesel, kritisiert der Hamburger Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke. „Das reicht aber nicht, um tatsächlich von Umweltverträglichkeit reden zu können.“
Der Nabu bezieht sich auf eine Untersuchung des Norwegischen Marinetechnik-Forschungsinstituts (Marintek) an existierenden LNG-Schiffen. Durch deren Schornsteine rauschten drei bis 15 Prozent des Methans unverbrannt in die Atmosphäre. Weil Methan das Klima aber bis zu 25-mal stärker belastet als Kohlendioxid, wären LNG-betriebene Schiffsmaschinen möglicherweise sogar schädlich für das Klima.
Auch die Gesellschaft für Angewandten Umweltschutz und Sicherheit im Seeverkehr (Gauss) an der Hochschule Bremen hält die Klimabilanz der LNG-Motoren für verbesserungswürdig. Durch den „Methanschlupf“ sei deren Wirkung aufs Klima allenfalls neutral.
Bevor Erdgas als Motortreibstoff im Hafen zu einer grünen Technik erklärt werde, müssten die Motorenhersteller erst einmal nachweisen, dass sie nicht den Teufel mit dem Beelzebub austrieben, findet Nabu-Chef Porschke. „Der Ersatz eines Klimagiftes durch ein anderes wäre das Letzte, was wir für einen grüneren Hafenbetrieb brauchen.“
25 Jul 2012
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