taz.de -- Friedrich setzt Führung der Bundespolizei ab: Der Innenminister greift durch
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich entlässt die gesamte Führungsriege der Bundespolizei. Weitere Personalwechsel drohen auch beim Verfassungsschutz.
BERLIN dapd | Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wirft die komplette Spitze der Bundespolizei raus. Nach Informationen von Focus online werden der bisherige Präsident Matthias Seeger sowie seine beiden Stellvertreter, Wolfgang Lohmann und Michael Frehse, abgelöst. Die drei Personalien wurden am Samstag in Koalitionskreisen bestätigt.
Nachfolger von Seeger soll Dieter Roman werden. Dieser war bisher Referatsleiter für Terrorismus-Bekämpfung im Bundesinnenministerium. Focus online zufolge sollen die beiden Spitzenbeamten des Bundesinnenministeriums, Jürgen Schubert und Franz Palm, neue Vizepräsidenten der Bundespolizei werden.
Schubert war bisher Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, Palm leitete das Haushaltsreferat in der Zentralabteilung des Ministeriums. Friedrichs Ministerium wollte sich nicht zu den Personalien äußern. Dem Vernehmen nach werden die Wechsel jedoch spätestens am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in Berlin bekannt gegeben.
Weitere Personalwechsel könnte es bald auch beim Verfassungsschutz geben. Nach der Affäre um geschredderte Akten schloss Friedrich (CSU) dies ausdrücklich nicht aus. Zurzeit würde der „Umgang mit Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz sorgfältig und umfassend“ untersucht, sagte der Innenminister.
„Modern und leistungsfähig“
Nach dieser Prüfung durch einen Sonderbeauftragten werde man „dann sehen, welche inhaltlichen, organisatorischen und eventuell auch personellen Konsequenzen“ zu ziehen sind. Beim Verfassungsschutz hatte Präsident Heinz Fromm vor Kurzem sein Amt zur Verfügung gestellt. In Sachsen und Thüringen waren die jeweiligen Leiter der Verfassungsschutzbehörden abgesetzt worden.
Friedrich betonte jedoch, er könne jetzt dem Ergebnis der Untersuchung nicht vorgreifen. „Eins ist aber sicher: Wir werden die Bundestagsgremien wie bisher über alle Vorgänge informieren“, versprach Friedrich. Der Verfassungsschutz müsse „modern und leistungsfähig“ für die Zukunft aufgestellt werden.
Fehlleistungen Einzelner dürften nicht dazu führen, „dass der gesamte Dienst diskreditiert wird“, sagte der CSU-Politiker. Es gebe „viele sehr gute Mitarbeiter, die wir auch in Zukunft dringend brauchen“.
Vernichtung von Akten
Der Verfassungsschutz hat nach Erkenntnissen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag versucht, die Vernichtung von Akten zu verschleiern. Die betroffenen Akten stammen aus der sogenannten Operation „Rennsteig“ des Verfassungsschutzes zwischen 1997 und 2003.
Dabei ging es um den Einsatz von V-Leuten im Umfeld des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes. Dieser Vereinigung gehörten seinerzeit auch die Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an, auf deren Konto zehn Morde gehen sollen.
28 Jul 2012
ARTIKEL ZUM THEMA
Jürgen Schubert wurde von Innenminister Friedrich zum neuen Bundespolizei-Vize ernannt. Dabei war er vor zehn Jahren in eine Vorteilsannahme-Affäre verwickelt.
Illoyalität? Nähe zu weißrussischen Behörden? Noch ist unklar, warum Innenminister Friedrich (CSU) den Chef der Bundespolizei absetzte. Die Opposition ist empört.
Die komplette Spitze der Bundespolizei ist von Innenminister Friedrich gefeuert worden. Von den wirklichen Problemen der Behörde lenkt das nur ab.
Inakzeptabel, schäbig und menschlich unanständig sei die Personalentscheidung von Bundesinnenminister Friedrich, kritisieren die Polizeigewerkschaften. Auch die SPD ist entsetzt.
Der Umbau des Verfassungsschutzes wird bereits vorbereitet. Wie radikal die Sicherheitsarchitektur umgebaut werden soll, ist in der Koalition höchst umstritten.
Der Verfassungsschutz sammelt weiter Informationen zu Petra Pau. Zum Beispiel kritische Kommentare der Linken-Politikerin über die Bundesregierung.
Der zukünftige Verfassungschutzchef Hans-Georg Maaßen reagiert auf die Kritik, die ihm von vielen Seiten entgegenschlägt: „Es ist mir schnurz, ob ich Honorarprofessor bin“.
Die FU Berlin hat den neuen Verfassungsschutz-Chef als Honorar-Professor abgelehnt. Grund ist sein umstrittenes Gutachten zu dem unschuldigen Guantanamo-Häftling Kurnaz.