taz.de -- Maue Aussichten für den Arbeitsmarkt: Leise klopft die Krise an die Tür

Es sind frühe Signale für eine konjunkturelle Abkühlung: Die Zahl der Erwerbslosen steigt an, die der Leiharbeiter schrumpft. Die Unternehmen informieren sich über Kurzarbeit.
Bild: Schlechte Haltung: erster Indikator für die Krise.

BERLIN taz | Es gibt erste Anzeichen, dass die Eurokrise Deutschland erreicht. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag mitteilte, stieg die Arbeitslosigkeit von Juni auf Juli um 67.000 auf 2,87 Millionen Personen. Die Arbeitslosenquote betrug 6,8 Prozent.

Der Anstieg in der Sommerpause habe zwar vor allem „saisonale Gründe“, sagte BA-Vorstandsvorsitzender Frank-Jürgen Weise. Er fügte jedoch hinzu: „Es zeigen sich Anzeichen einer schwächeren Entwicklung.“ Denn um jahreszeitliche Effekte wie die Sommerferien bereinigt, stieg die Zahl der Erwerbslosen um 7.000 Personen.

Das sei noch nicht viel, gibt die BA zu bedenken. „Doch die Zurückhaltung der Unternehmen ist da“, sagt Sprecherin Anja Huth. Die BA schaut dazu auf frühe Warnsignale: die Entwicklung der Leiharbeit, die Bereitschaft der Unternehmen, neue Leute einzustellen, und die Kurzarbeit.

Und da gibt es erste Hinweise, dass der Jobmarkt bald nicht mehr so brummen könnte. So kündigte der erste deutsche Großkonzern, der Stahlriese Thyssen Krupp, vor ein paar Tagen für über 2.000 Mitarbeiter Kurzarbeit an. Insgesamt stehe die „Ampel bei der Kurzarbeit auf Gelb“, sagte Huth. „Die Firmen haben erhöhten Beratungsbedarf.“ Auch die Nachfrage nach Leiharbeitern, ein Zeichen für konjunkturelle Veränderungen, geht zurück. Die Zahl der Leiharbeiter schrumpfte im Mai 2012 im Vergleich zum Mai 2011 um 18.000 auf 780.400.

BA-Stellenindex sinkt

Nicht zuletzt lässt die Bereitschaft der Unternehmen nach, neue Arbeitskräfte einzustellen, wie der BA-Stellenindex zeigt. Er sank von Juli auf Juni um zwei auf 162 Punkte. Der Lastwagen- und Bushersteller MAN beispielsweise kündigte am Dienstag für einen Teil seiner Produktion einen Einstellungsstopp an. In den Werken in Salzgitter und München will MAN zudem vom Zweischicht- auf den Einschichtbetrieb umstellen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht die Situation dennoch gelassen: „Anzeichen für einen krisenhaften Einbruch sind nicht zu erkennen“, sagte sie am Dienstag.

31 Jul 2012

AUTOREN

Eva Völpel

ARTIKEL ZUM THEMA

Leiharbeiter in der Industrie: Ein bisschen Zuschlag

Leiharbeiter in der Metall- und Elektroindustrie sollen künftig mehr Geld bekommen. Bei der Gewerkschaft der Dienstleister sorgt das für Ärger.

Jugend-Erwerbslosenquote: Arbeitsparadies Deutschland

Nirgendwo in Europa geht es jungen Menschen besser als auf dem deutsche Arbeitsmarkt. In Spanien und Italien hingegen ist mehr als jeder zweite Jugendliche erwerbslos.

Arbeitsmarktstatistik: Es gibt wieder mehr Vollzeitstellen

Die Zahl der Vollzeitstellen ist gestiegen, aber immer noch unter dem Stand von vor zehn Jahren. Dagegen steigt die Zahl von Leiharbeitern und Teilzeitstellen stetig.

Kommentar Vollzeitstellen: Verlierer sind die Arbeitnehmer

Die Zahl der Vollzeitstellen mag zunehmen – die Situation für Arbeitnehmer ist trotzdem nicht besser geworden. Unzufriedenheit und Angst wachsen nicht ohne Grund.

Kommentar Arbeitsmarktpolitik: Kostbare Strukturen

Der Senat muss mehr politischen Willen zeigen, die soziale Infrastruktur zu erhalten. Fließen wieder Millionenbeträge ungenutzt an den Bund zurück, ist das nicht mehr vermittelbar.

Sparen bei 1-Euro-Jobbern: Eine Geschichte wiederholt sich

Hamburg will auch 2013 mehr 1-Euro-Jobs abbauen als nötig. Wird nicht gegengesteuert, fließt auch 2012 viel Geld zurück an den Bund - das gabs auch 2011 schon.