taz.de -- Europäische Zentralbank in der Eurokrise: Und nun?
Die Europäische Zentralbank berät über die Eurokrise. Leitzins senken, Staatsanleihen kaufen, den Rettungsschirm zur Bank machen – was sie tun kann.
Italien und Spanien drängen darauf, dass ihre Zinsen sinken. Doch bisher blockiert die Bundesregierung. Sie ist dagegen, den Rettungsschirm ESM mit einer Banklizenz auszustatten, damit er sich unbegrenzt Geld leihen und es an die Krisenländer weiterreichen kann. Bleibt die Europäische Zentralbank: Sie kann direkt auf den Finanzmärkten intervenieren – und hat dafür diverse Instrumente.
Draghi: Der Herr der Notenpresse
EZB-Chef Mario Draghi hat letzte Woche angekündigt, „alles Nötige“ zu tun, um den Euro zu retten. Aber was heißt das?
Denkbar sind verschiedene Optionen. So könnte die EZB erneut den Leitzins senken. Allerdings liegt er schon bei historisch niedrigen 0,75 Prozent, ohne dass dies viel gebracht hätte. Spanien und Italien müssen trotzdem Rekordzinsen zahlen.
Daher erwarten viele, dass die EZB direkt auf den Finanzmärkten eingreift – und Staatsanleihen von Spanien und Italien aufkauft, um die Zinsen zu drücken. Diese Ankäufe gab es seit Mai 2010 immer wieder: Momentan hat die EZB Papiere für 211 Milliarden Euro im Depot. Seit März lässt die Zentralbank dieses Programm ruhen, auch weil die Bundesbank die Aufkäufe immer wieder kritisiert hat.
Eine weitere Möglichkeit wäre, die Banken erneut mit Geld auszustatten. Im Dezember und im Februar haben sie sich bereits eine Billion Euro bei der EZB geliehen – und sie müssen bei dreijähriger Laufzeit nur 1 Prozent Zinsen zahlen. Damit sollten die Banken Staatsanleihen ihrer Heimatländer kaufen. Doch dies hat nur kurz gewirkt.
Im Gespräch ist auch, dass der Rettungsschirm EFSF Staatsanleihen aufkauft – und mit der Abwicklung die EZB beauftragt. Allerdings müssten Spanien und Italien erst einen Antrag stellen. Dies haben sie bisher jedoch nicht getan.
Und schließlich gibt es die Idee, dass der Rettungsschirm ESM von der EZB als eine Art Bank anerkannt wird – sodass sich der Rettungsschirm dann unbegrenzt Geld leihen könnte, um Staatsanleihen aufzukaufen. Noch existiert der ESM jedoch nicht. Erst am 12. September will das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob er mit dem Grundgesetz kompatibel ist.
Monti: Billige Euros - oder die Lira
Italiens Premier Mario Monti ist der eigentliche Gegenspieler von Kanzlerin Angela Merkel. Obwohl Italien schwach wirkt, ist es in einer starken Verhandlungsposition.
Denn Italien ist nicht überschuldet wie Griechenland - und es gab dort auch keine Immobilienblase wie in Spanien oder Irland. Stattdessen zeigt sich an Italien exemplarisch, dass der Euro falsch konstruiert ist: Die Gemeinschaftswährung hat kein Instrument dafür, mit einer Massenpanik auf den Finanzmärkten umzugehen.
Italien wird daher in die Pleite getrieben - durch einen Teufelskreis, der sich selbst verstärkt. Die Anleger misstrauen Italien, also kaufen sie keine Staatsanleihen. Dadurch steigen die Zinsen, bis sie untragbar sind. Der Staatsbankrott, der anfangs nur befürchtet wurde, tritt nun garantiert ein.
Monti verlangt daher, dass die EZB eingreift und Staatsanleihen aufkauft, um die Zinsen zu drücken. Dies kann direkt geschehen - oder indirekt über die Rettungsschirme EFSF und ESM.
Und Monti dürfte sich durchsetzen. Denn es ist offensichtlich: Wenn die Zinsen nicht sinken, kann Italien seine Staatspleite nur abwenden, indem es zur Lira zurückkehrt - und seine Schulden über die eigene Zentralbank finanziert.
Wenn jedoch Italien die Eurozone verlässt, dann ist es mit der Währungsgemeinschaft vorbei. Die Kosten dieses Crashs wären immens, und wahrscheinlich würde Deutschland sogar mehr verlieren als Italien. Das weiß Monti - und Merkel weiß es auch.
Merkel: Nur das Nötigste zulassen
Kanzlerin Angela Merkel hat vor allem ein Ziel: Sie will die nächste Bundestagswahl im September 2013 gewinnen. Also folgt sie den Mehrheitsmeinungen der Deutschen. Und in den Umfragen kommt heraus: Die Deutschen fürchten gleich doppelt um ihr Geld. Sie fürchten eine Inflation - und sie fürchten, dass sie für die schwächeren Eurostaaten zahlen müssen.
Also hat Merkel bisher nur das Nötigste zugelassen, um den Euro zu retten. Doch diese Taktik geht nicht mehr auf. Die Zinsen für Italien und Spanien liegen bei untragbaren 6 bis 7 Prozent für eine 10-jährige Anleihe - und gleichzeitig haben die radikalen Sparprogramme in den Krisenländern eine Rezession ausgelöst, die nun auch Deutschland erreicht. Die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen steigt seit vier Monaten, die Konjunkturindikatoren zeigen abwärts.
Eine Wirtschaftskrise kurz vor der Wahl kann Merkel nicht gebrauchen. Also hat sie einen Schwenk vollzogen. Wie EZB-Chef Draghi versichert sie jetzt, man werde "alles" tun, um den Euro zu schützen. Aber was heißt "alles"?
Während Merkel im Urlaub weilt, machte sich FDP-Chef Rösler an eine Deutung. Er sagte am Mittwoch, dass eine Banklizenz für den Rettungsschirm ESM "nicht unser Weg sein kann". Bleibt nur ein Problem: Wenn sich der ESM kein Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen kann, ist er zu klein (siehe Grafik). Seine Kapazität von 500 Milliarden Euro reicht nicht für Italien und Spanien.
2 Aug 2012
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