taz.de -- Kritik am geplanten Sterbehilfe-Gesetz: „Ein Stück aus dem Tollhaus“

Ein neues Gesetz soll Sterbehilfe durch Angehörige und andere nahestehende Personen straffrei stellen. Aus der CDU und von Ärzten kommt Kritik: Sie befürchten Missbrauch.
Bild: Nicht mal der Tod ist unumstritten.

BERLIN dpa | Ein neuer Anlauf des Bundesjustizministeriums für ein gesetzliches Verbot der gewerblichen Sterbehilfe ist auf breite Ablehnung gestoßen. Massive Kritik kam aus den Reihen der Union, von der Bundesärztekammer und von Patientenschützern.

Nach dem Gesetzentwurf soll gewerbliche Sterbehilfe mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, Sterbe-Beihilfe für Angehörige und andere nahestehende Personen jedoch ungeahndet bleiben. Wörtlich heißt es ergänzend dazu: „Auch Ärzte oder Pflegekräfte können darunter fallen, wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung entstanden ist, wie dies z. B. beim langjährigen Hausarzt oder einer entsprechenden Pflegekraft der Fall sein kann.“

„Das ist inakzeptabel, denn es öffnet dem Missbrauch Tür und Tor“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU). Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sprach von einem „Stück aus dem Tollhaus“. Das Ministerium schaffe damit die Rechtsgrundlagen für Ärzte als Sterbehelfer. „Unsere Position ist klar, als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur Verfügung.“

Das Bundesjustizministerium wies die Vorhaltungen als unzutreffend zurück. „Neues Strafrecht wird eingeführt, kein Strafrecht abgeschafft“, sagte Ministeriumssprecher Anders Mertzlufft. Mit der Ergänzung des Strafgesetzbuches werde „mitnichten der gesamte Berufsstand der Ärzte straffrei gestellt“. Es gehe vielmehr um „Spezialfälle“ besonders enger und langer persönlicher Beziehungen, bei denen ein Beteiligter „dann zufällig auch Arzt ist“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, wies die Kritik aus Union und Ärzteschaft als „substanzlos“ zurück. Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz, begrüßte im Gegensatz zu Montgomery den Gesetzentwurf. Es sei zwar richtig, dass Ärzte keine Sterbehelfer seien, „aber in begründeten Einzelfällen können sie Patienten auf diese Art von ihrem Leid befreien“, sagte er dem Berliner Tagesspiegel.

2 Aug 2012

TAGS

Sterbehilfe

ARTIKEL ZUM THEMA

Hilfe zur Selbsttötung: Gröhe findet's „überaus verwerflich"

Hermann Gröhe (CDU) strebt eine Verschärfung der gesetzlichen Regelungen zur Sterbehilfe an. Geschäftsmäßige Hilfe soll unter Strafe gestellt werden.

Kabinett billigt Gesetzentwurf: Gewerbsmäßige Sterbehilfe strafbar

Ärzte als Sterbehelfer? Per Gesetz will die Regierung Sterbehilfe aus finanziellen Gründen unter Strafe stellen. Kritiker stoßen sich an einer geplante Ausnahme.

Studie zu Tod in Deutschland: Lieber im Vertrauten sterben

Die meisten Deutschen würden am liebsten zuhause und nicht im Krankenhaus sterben. In einer Studie fordern die Befragten, sich mehr mit dem Tod zu beschäftigen.

Kommentar Sterbehilfe: Herzlose Christdemokraten

Die Hilfe zur Selbsttötung sollte in Deutschland auch künftig straffrei bleiben. Doch die Union will alle vermeintlichen Schlupflöcher dichtmachen.

Debatte um Sterbehilfe-Gesetz: Der feine Unterschied

Um das geplante Gesetz zur Sterbehilfe tobt eine unsachliche Debatte. Die Diskutanten unterscheiden nicht zwischen aktiver Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid.

Straßburger Urteil zu Sterbehilfe: Kein Recht auf milden Suizid

Ein Witwer, dessen Frau in der Schweiz Hilfe zum Freitod bekam, hat eine Klage gegen den deutschen Staat gewonnen. Deutsche Gerichte müssen sich nun mit Sterbehilfe befassen.

ZDF-Film über Sterbehilfe: Verschiebung der Altlasten

In Friedemann Fromms "Komm, schöner Tod" (22.15 Uhr, ZDF) werden Senioren lieblos abgefertigt. Dieses Schicksal ähnelt dem des Films.

Jurist über Sterbehelfer in den Niederlanden: "Viele haben sich spontan gemeldet"

Nicht alle Hausärzte leisten Sterbehilfe. Der Jurist Jan Suyver hat deshalb Ärzte-Pfleger-Teams aufgebaut, die als Sterbehelfer unterwegs sein werden.