taz.de -- Olympia – Kugelstoßen: Bulle hält Kalb in Schach
Das Lieblingshätschelkind wird nur Zweiter. Der 22-Jährige Storl gibt sein bestes, aber er verliert gegen den Hippie aus Polen. Am Ende fehlen drei Zentimeter.
Die Startbedingungen: In der Qualifikation hatten sich beide schon ohne Mühe durchgesetzt: Tomasz Majewski aus Polen, Olympiasieger von Peking, Reese Hoffa, Held der afroamerikanischen Ghettowelt, sowie [1][David Storl], voriges Jahr überraschend Weltmeister in Daegu geworden. Hoffa und seine nordamerikanischen Kollegen sind immer für Stöße über 22 Meter gut – auch wenn sie in dann irgendwie immer aufgedrogt steroider Hinsicht wirken.
Die Entscheidung: Storl, Lieblingshätschelkind der aus den Trümmern der DDR-Werferszene erwachsenen Ossi-Trainer, begnadeter Techniker, im Vergleich mit Hoffa, Whiting und Cantwell mit seinen 120 Kilogramm Körpergewicht von hänflinghafter Gestalt, schafft es tatsächlich, wie geplant im ersten Versuch vorzulegen – 21,84 Meter. Später steigert er sich auf 21,86. Von den nordamerikanischen Stoßern fehlt plötzlich jede Fähigkeit, unter den eigentlich optimalen Wettkampfbedingungen ernsthaft mitzuhalten.
Das Drama: Tomasz Majewski, mit seinen hippieflusigen Haaren wie ein polnischer Softie aussehend, steigert sich plötzlich auf 21,87 Meter. Man sah schon die schwarz-rot-goldenen Schlagzeilen: „Zottel-Pole düpiert uns mit 1 (!) Zentimeter“. Im allerletzten Versuch aber, vor dem Storl sich nervös die offenbar verspannte linke Wade knetet, um in Lockerheit zu kommen, kann der Deutsche mit der Pausbäckenausstrahlung nicht mehr – wie noch im vorigen Jahr bei der WM – steigern.
So steht vor Majewski letzter Stoßerei fest: Deutschland hat Silber sicher, Polen gewinnt. Aber: Der Sieger markiert mit seinem letzten Versuch die Siegesweite: 21,89 Meter. In zwei Stößen ist er besser als der 22-jährige Youngster. Glückwunsch, den Olympiasieg wiederholt zu haben.
Die Schlussfolgerung: Gratulation David Storl, dessen Trauben offenbar doch nicht je auf Anhieb in den Himmel wachsen können. Und Glückwunsch auch dem Deutschen Leichtathletik-Verband – er weist bereits jetzt, am ersten Leichtathletiktag, eine bessere Bilanz als nach den Pekinger Spielen auf.
Und sonst? Auf Eurosport sieht es sich besser – es störte kein „heute-Journal“ die Dramaturgie des Abends. Und: Argentiniens German Lauro belegt den 6. Platz und warf mit 20,84 Meter Landesrekord. Respekt!
3 Aug 2012
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