taz.de -- Kommentar Neofaschismus und der DOSB: Selbstkritik wäre angesagt

Der Deutsche Olympische Sportbund präsentiert sich gerne als Schule der Demokratie. Nur wenn der DOSB offen über den Fall Drygalla redet, ist er darin noch glaubwürdig.

Raus mit der Sprache! Geht es um Nazis? Warum hat sich die Ruderin Nadja Drygalla aus dem Staub gemacht, nachdem der Deutsche Olympische Sportbund und der Ruderverband sie ins Gebet genommen haben? Was wissen die deutschen Verbände über die Beziehung einer ihre Sportlerinnen zum [1][militanten Neonazi Michael Fischer]? Worüber wurde wirklich mit der Ruderin gesprochen, bevor sie abgetaucht ist?

Wir sind ganz Ohr. Hallo? Nein, da kommt nichts außer peinlichen Umwegformulierungen. „Diese Geschichte“, „die Angelegenheit“ oder einfach nur „dies“ oder „etwas“. Der deutsche Sport ist an seiner Spitze vollkommen verklemmt, wenn es um die Benennung eines gesellschaftlichen Problems geht, das nun auch die Olympiamannschaft zumindest berührt hat, den Neofaschismus in Deutschland.

Der DOSB präsentiert sich gerne als Schule der Demokratie, die Vereine sollen die Klassenzimmer sein. Er hat eine Päambel in seiner Satzung, in der „ein humanistisch geprägtes Menschenbild“ beschworen wird. Für die Vereine gibt es Informationsbroschüren, es werden Seminare angeboten und Aktionsprogramme gegen den Versuch rechter Einflussnahme auf die Klubs gefördert. All diese überaus ehrenwerte Programme können nur denen helfen, die für sich festgestellt haben: Wir haben ein Problem! Und nur wer das auch benennt, ist glaubwürdig im Kampf gegen rechte Einflussnahme auf den Sport.

Doch da wo Selbstkritik und Zweifel angezeigt wären, beweihräuchert sich der DOSB selbst – als humanistische Organisation, die der Demokratie verpflichtet und sowieso ganz gut ist. Auch eine noch so schön formulierte Präambel ist nur dann etwas wert, wenn sie mit Inhalt gefüllt wird. Zur menschenfreundlichen, antirassistischen und emanzipatorischen Olympischen Charta hat sich auch das Gastgeberland der letzten Spiele bekannt. Kein Humanist wird China deshalb für einen Hort des Guten halten.

Warum sehen wir also keine Sorgenfalten auf der Stirn der deutschen Oberolympier Michael Vesper und Thomas Bach, nachdem ihnen gesagt wurde, mit wem sich Nadja Drygalla abgibt und wie es sein kann, dass ein ehemaliger Nationalruderer zum Nationalsozialisten wird? Im Ruderband Mecklenburg-Vorpommern hat man schon lange von der „Angelegenheit“ gewusst. Man hat das schön für sich behalten – schließlich geht es um Medaillen und Fördergelder aus dem Innenministerium.

Eine unangenehme Frage steht im Raum: Wieviel Nazi darf eigentlich sein im deutschen Sport?

4 Aug 2012

LINKS

[1] /!98758/

AUTOREN

Andreas Rüttenauer

TAGS

Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
IG
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024

ARTIKEL ZUM THEMA

Problem-Paar mit Hundefaible: Die Insta-Cop und der Nazi-Schläger

„Insta-Cops“ sollen das Image von Niedersachsens Polizei verbessern. Doch eine von ihnen lebt mit einem bekannten Rechtsextremen zusammen.

Kommentar Rechtsextreme Sportler: Ein Gesinnungs-TÜV ist nicht nötig

Die Aufgeregtheit, mit der Politik und Sport auf den Fall Drygalla reagiert haben, überrascht. Eine zweite Chance hat sie verdient, wenn alle Fragen geklärt sind.

Extremismusklausel für Sportler: Eine Einladung zur Heuchelei

Nach dem Fall Drygalla wird diskutiert, die Sportförderung an ein Bekenntnis zum Grundgesetz zu koppeln. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ist dagegen.

Extremismusklausel für Spitzensportler: Höher, schneller, demokratischer

Die Beziehung der Olympia-Ruderin Drygalla sorgt weiterhin für Streit in der Politik. Das Bundesinnenministerium prüft die Einführung eines Demokratiebekenntnisses für Sportler.

Debatte um Ruderin Nadja Drygalla: Rufmord oder notwendige Aufklärung?

Die Ruderin Nadja Drygalla ist mit einem Nazikader zusammen und verlässt das olympische Team. Hat Nadja Drygalla das verdient? Das Pro und Contra.

Lebensgefährte von Olympia-Ruderin: NPD bestätigt Fischers Partei-Ausstieg

Der Freund der Olympia-Ruderin Nadja Drygalla ist laut NPD kein Mitglied der rechtsextremen Partei mehr. Das bestätigte der NPD-Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern.

Neonazis und der DOSB: Einwandfreie Gesinnung

In den Sportverbänden gibt man sich im Fall Nadja Drygalla ahnungslos. Oder stört sich erst gar nicht an ihren Kontakten. Die Ruderin distanziert sich von der rechten Szene.

Debatte um Ruderin Drygalla geht weiter: Bach kündigt „Überprüfung“ an

Über die deutsche Ruderin und ihre Beziehung mit einem Neonazi wird in London, Rostock und Berlin diskutiert. Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern wusste seit Jahren davon.

Verantwortungsfrage im Fall Drygalla: Prüfung der Gesinnung

Weil sie seit Jahren mit einem führenden Neonazi liiert ist, verlässt Ruderin Nadja Drygalla überstürzt das olympische Dorf. Der DOSB versucht die Sache zu bagatellisieren.

Skandal im deutschen Olympia-Team: Rechte Schlagseite

Weil sie seit Jahren mit einem führenden Neonazi aus Mecklenburg-Vorpommern liiert ist, hat Ruderin Nadja Drygalla das olympische Dorf verlassen.