taz.de -- Neuer Stuxnet-ähnlicher Virus aufgetaucht: Bankdaten in Nahost ausgespäht

Ein neu entdeckter Virus soll im staatlichen Auftrag offenbar Tausende Rechner im Nahen Osten ausgespäht haben. Dabei ging es wohl hauptsächlich um Bank- und Mailkontodaten.
Bild: Rauschen hier die Bankdaten durch, die ausgespäht wurden?

BERLIN dpa | Im Nahen Osten ist eine neue Schadsoftware für Computer aufgetaucht, die offenbar in staatlichem Auftrag Banküberweisungen ausgespähen soll. Der digitale Schädling mit dem Namen „Gauss“ wurde von der IT-Sicherheitsfirma Kaspersky entdeckt. Bei dem Trojaner handle es sich um eine spezielle Anpassung des im Mai aufgetauchten Schadprogramms Flame, sagte am Donnerstag Kaspersky-Chefanalyst Magnus Kalkuhl. Flame wurde im Mai von Kaspersky entdeckt und nach Informationen der Washington Post von den USA und Israel entwickelt.

Der Online-Banking-Trojaner leitet im Unterschied zu den bekannten Werkzeugen von kriminellen Internetbetrügern keine Bankgeschäfte zum Schaden der Nutzer ein, sondern späht aus, welche Banktransaktionen vorgenommen werden. Im Libanon seien im Juni und Juli rund 2.500 Infektionen mit Gauss registriert worden, darunter mehr als 1.600 im Libanon, 480 in Israel und 260 in den palästinensischen Gebieten, sagte Kalkuhl.

In der Türkei und Syrien sei es nur vereinzelt zu Infektionen mit Gauss gekommen. Zu den betroffenen Banken gehörten den Angaben zufolge die Bank of Beirut und Credit Libanais, aber auch die Citibank und der Online-Zahlungsdienst PayPal.

Der Name des deutschen Mathematikers Carl Friedrich Gauss (1777-1855) sei im Code der Hauptkomponente des Trojaners gefunden worden, erklärte Kalkuhl. Die Schadsoftware infiziert nach seinen Angaben Windows-Computer und USB-Sticks und überträgt die ausgespähten Daten zu einem nicht näher bezeichneten Server. Neben Daten zum Zahlungsverkehr listet Gauss auch Laufwerke und Verzeichnisse des befallenen Computers auf und späht die Zugangsdaten für E-Mail-Konten und Soziale Netzwerke aus. Nach 30 Einsätzen zerstört sich Gauss selbst und ist dann nicht mehr sichtbar.

Gauss sei kleiner und nicht ganz so komplex und vielfältig einsetzbar wie der im Mai entdeckte Schädling Flame, sagte der Kaspersky-Experte. Seine Entwickler richteten ihr Augenmerk besonders auf die Tarnung des Trojaners. Kaspersky fand Gauss bei seinen Untersuchungen zu Flame im Auftrag der International Telecommunications Union (ITU).

Als erste Schadsoftware mit einem staatlichen Hintergrund gilt Stuxnet: Dieser Wurm wurde Anfang 2009 für Angriffe auf bestimmte IT-Module von Industrieanlagen entwickelt; Ziel war 2011 vermutlich die Sabotage iranischer Atomanlagen. Als Weiterentwicklung von Stuxnet tauchte im vergangenen Jahr der Trojaner Duqu auf, der als Spionagewerkzeug eingesetzt wurde.

9 Aug 2012

TAGS

Schwerpunkt Syrien

ARTIKEL ZUM THEMA

Cyberangriff auf Iran und Libanon: Spionage mit dem Skalpell

Der neue Virus „MiniFlame“ hat wichtige Computer im nahen Osten befallen. Das auf IT-Sicherheit spezialisierte Kaspersky Lab sieht staatliche Sponsoren im Hintergrund.

Hinweise auf die Herkunft des Flame-Virus: USA und Israel bastelten gemeinsam

Der kürzlich aufgetauchte Flame-Virus wurde wohl von den USA und Israel gemeinsam erstellt. Wie auch Stuxnet sollte die Schadsoftware Irans Atomprogramm angreifen.

Cyber-Krieg gegen den Iran: Obama ordnete Stuxnet-Attacken an

Der Stuxnet-Wurm schreckte vor 2 Jahren Sicherheitsexperten auf. Jetzt schreibt die „New York Times“, US-Präsident Obama habe die Cyber-Angriffe gegen Iran persönlich betreut.

Nachfolger von Stuxnet: Hochkomplexer Virus entdeckt

Er heißt „Flame“ und ist schon seit mehreren Jahren aktiv: Experten haben auf Rechnern im Nahen Osten einen Virus entdeckt. Er sammelt sensible Daten und wurde im großen Stil verbreitet.